Ich kenne Menschen, die keine regelmäßigen Kirchgänger sind, sich aber für ein zeitlich begrenztes Projekt einsetzen. Eine-Welt-Teams übersetzen das Evangelium in faires Handeln und mehr Gerechtigkeit für Menschen, die sonst mit Hungerlöhnen ausgebeutet werden. Helfer-Teams nehmen in Flüchtlingsfamilien Menschen wahr, in denen Jesus heute ein Gesicht hat. Wer Kranke besucht, Zeit und offene Ohren mitbringt, sieht in dankbare Gesichter und geht beschenkt nach Hause. Christliche Bildungshäuser bieten Begegnungsräume, in denen gestresste Menschen, Paare und Eltern neue Kraft tanken. Das ist die Richtung, die sich Papst Franziskus für eine erneuerte Kirche wünscht: Bei den Armen und Beladenen einzutauchen, um bei Gott wieder aufzutauchen. Eine Kirche, die glaubwürdig diakonisch handelt, kann auch glaubwürdig Gottesdienste feiern. So kommt sie dem biblischen Ursprung nahe.
In dieser Umbruchszeit erlebe ich Verantwortliche in der Seelsorge, die nicht beim Klagen stehen bleiben, sondern die Krise als Chance begreifen. Jesus-Begeisterte und Team-Player sind gefragt. Begegnung auf Augenhöhe zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen weckt neue Motivation in den Gemeinden. Die Verantwortlichen in der Bistumsleitung haben auch keine fertigen Rezepte. Freiräume und Experimentierfelder sind möglich. In ihnen kann eine menschenfreundliche Kirche neue Gestalt und Attraktivität gewinnen. In dieser Kirche regiert nicht das Gesetz, sondern da hat jede und jeder ein Gesicht.
In diesem Umbruch- und Erneuerungsprozess wird sich langfristig auch der Zugang zum Priesteramt in der katholischen Kirche öffnen. Entscheidend wird sein, ob ein Mann oder eine Frau brennen für die Botschaft und die Praxis Jesu und ob sie andere für diese neue Freiheit begeistern können. Ich erlebe Papst Franziskus als einen, der mit einem Bein noch in der hierarchischen Kirche steht. Mit dem anderen Bein stößt er Türen auf, die die Seelsorge und die Kirche als Ganze im Sinne Jesu verändern. Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner fasst das treffend so zusammen: „Von der Sünde zur Wunde. Vom Gerichtssaal zum Lazarett. Vom Gesetz zum Gesicht. Vom Ideologen zum Hirten. Vom Moralisieren zum Heilen.“
Liebe Leserinnen und Leser,
in so einer Kirche wächst die „Pastoral der Zukunft“. In so einer Kirche sind Sie willkommen und haben ein Gesicht, egal wie nah oder fern Sie sich fühlen.
Burkhard Fecher, Gemünden,
Pastoralreferent, Ehe-, und Familienseelsorger;
Ehe-, Familien- und Lebensberater