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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Visionen, die tragen

Der johanneische Jesus gibt Mut in Zeiten des Umbruchs. Der Mensch, das Leben braucht Umbruch.

Gedanken zum Sonntagsevangelium – Fünfter Fastensonntag

Evangelium

In jener Zeit traten einige Griechen, die beim Osterfest in Jerusalem Gott anbeten wollten, an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus. Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: 

Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet. Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.

Johannes 12,20–33

Bekannt ist das Bild vom Weizenkorn, das sterben muss, damit es Früchte bringt. Es bildet einen der großen Gegensätze ab, die uns das Leben lehrt: Loslassen, sterben lassen, sein lassen können, damit Neues entstehen, Neues sein kann. Das gilt für "liebgewonnene" Rollenmuster in Paarbeziehungen ebenso wie für zu Traditionen geronnene Gewohnheiten in Institutionen.

Loslassen, sterben lassen meint dabei aber keineswegs ein passives "geschehen lassen" als vielmehr einen verantworteten, gestalteten Prozess. Dies lässt sich an der Person Jesu, wie im Johannesevangelium vorgestellt, ablesen. In der Haltung Jesu spiegelt sich Überzeugung, Entschiedenheit und Tatkraft. Es ist der "johanneische", der im Johannesevangelium bezeugte Jesus, der die Krise sehenden Auges vorantreibt, weil er zu wissen glaubt, dass es so sein muss.

Ganz menschlich gesprochen: Er hat eine Vision, der er sein Handeln zu- und seine persönlichen Interessen unterordnet. Und er selbst fordert in Vers 25 absolute Entschiedenheit und ein Bekenntnis: Hängst du am Leben und seinen Verhältnissen, so, wie sie sind, dann greift Stillstand um sich. Leben, das per se Veränderung heißt, geht dann verloren. "Stillstand ist der Tod, geh voran, es bleibt alles anders", formuliert Herbert Grönemeyer in seinem Lied "bleibt alles anders" und redet einem visionären, tatkräftigen Voranschreiten das Wort. Dies erfordert Mut.

Mut, mit alten Vorstellungen und Entscheidungen aufzuräumen und Neues zu wagen. Dies tut der Sänger mit ebenso wenig Naivität wie Jesus im Johannesevangelium: "Es gibt viel zu verlieren! Geh voran", singt Grönemeyer. Das weiß auch der johanneische Jesus. Es ist ein Verdienst der Urheber des Johannesevangeliums, uns diesen heroischen Jesus vor Augen zu stellen. Ein Jesus, der um sein Schicksal von Anfang an zu wissen scheint, der weiß, was es zu tun gilt, und der, kurz nachdem er in Jerusalem eingezogen ist, von seinem Kreuzestod erzählt (vergleiche Verse 31–33). "Du bist nicht von dieser Welt", möchte man ihm zurufen und sich dabei innerlich vom eigenen Unvermögen ein Stück weit freisprechen.

Wenn wir uns den Logoshymnus ("Im Anfang war das Wort ...") aus dem ersten Kapitel des Johannesevangeliums vor Augen führen, stimmt das ja auch irgendwie (vergleiche Joh 1,1–5). Und dann doch auch wieder nicht, weil den johanneischen Christen viel daran gelegen ist, zu zeigen, was das Konzil von Chalzedon 350 Jahre später (im Jahr 451) dogmatisch formulieren wird: wahrer Gott UND wahrer Mensch.

Der johanneische Jesus gibt Mut in Zeiten des Umbruchs. Der Mensch, das Leben braucht Umbruch. All jenen, die sich vor Neuem fürchten, sei gesagt: Gerade die Diskontinuität bedeutet Kontinuität!

Das zeigt schon die Geschichte Jesu und des Christentums. Zugleich ist aber auch klar: Wir brauchen ein "Wohin", das heißt ein Ziel, das so viel Kraft in sich birgt, dass es uns im wahrsten Sinne des Wortes "an-(sich)-zieht" und damit durchs Leben mit all seinen Schwierigkeiten trägt.

"Es gibt viel zu verlieren, du kannst nur gewinnen", heißt es auch in dem bereits zitierten Liedtext von Grönemeyer. Wagen wir den Umbruch, so haben wir viel zu verlieren und können doch nur gewinnen: Wir gewinnen Kontur. Kontur als Person, als Paar, als Institution.

Dr. Agnes Rosenhauer ("a.rosenhauer@schmerlenbach.de") ist Exegetin und Bildungsreferentin in der Katholischen Erwachsenenbildung des Forum Schmerlenbach e.V.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.