Es gibt Urlaubserlebnisse, die ich nie vergessen werde. Dazu gehört ein donnernder Applaus, den ich einmal in Griechenland erlebt habe. Nicht in der Oper, nicht im Theater, nicht im Stadion – sondern am Kap Sounion. Dieser Applaus galt keinem Sänger, Schauspieler oder Sportler – sondern der Sonne.
Das Kap Sounion liegt an der Südspitze der Halbinsel Attika etwa 70 km südöstlich der griechischen Hauptstadt Athen. Auf einer künstlich angelegten Terrasse über der Ägäis steht die Ruine eines Marmortempels, der im 5. Jahrhundert vor Christus gebaut und dem Meeresgott Poseidon gewidmet worden ist.
An diesem Tempel versammeln sich jeden Abend Menschen aus der ganzen Welt und applaudieren, wenn die Sonne über dem Saronischen Golf untergeht. Dieser Applaus ist nie inszeniert, sondern immer spontan. Jeden Abend beklatschen andere Menschen den Sonnenuntergang. Es sind Christen, aber auch Nicht- und Andersgläubige. Amerikaner und Engländer. Inder und Chinesen. Japaner und Koreaner. Franzosen und Deutsche. Auch ich habe mitgeklatscht.
Mein Applaus gilt dem Schöpfer, der die Sonne gemacht hat - und auch die Erde. Das glaube ich. Er hat das Kap Sounion gemacht und auch die Ägäis. Den Grand Canyon und die Niagarafälle. Die Galapagos-Inseln und den Titicacasee. Die Serengeti und den Ngorongoro-Krater. Den Ayers Rock und das Great Barrier Reef.
Das begeistert mich. Aber noch viel mehr. Scheinbar Alltägliches. Ein gutes Essen zum Beispiel. Ein spannendes Buch. Ein gelungenes Gemälde. Ein Musikstück, das mein Herz berührt. Und – nicht zuletzt - das Lächeln meiner Frau. Applaus, Applaus!
Das lässt mich an ein Lied der Sportfreunde Stiller denken. Der Refrain geht so: „Applaus, Applaus - für deine Worte. Mein Herz geht auf, wenn du lachst. Applaus, Applaus - für deine Art, mich zu begeistern. Hör niemals damit auf!“.
Wie gerne wäre ich in diesem Sommer mit meiner Frau nach Griechenland gereist! Aber es hat nicht sollen sein. Die Corona-Krise hat alle unsere Urlaubspläne durchkreuzt. Ist das ein Problem? Keineswegs! Wir sind dazu übergegangen, Unterfranken neu zu entdecken.
Den Sonnenuntergang kann man auch auf dem Benediktusfelsen in Retzbach erleben. Oder auf der Stollburg in Handthal. Oder auf dem Kappelrangen am Schwanberg. Und sogar in Würzburg. Was gibt es Schöneres, als mit einem Eis in der Hand auf der Drachenwiese am Hubland zu stehen und zu sehen, wie hinter der Festung die Sonne untergeht?! Applaus, Applaus!
Niko Natzschka, Pfarrer der Martin-Luther-Kirche im Würzburger Stadtteil Frauenland
Der Impuls "Wort zum Wochenende" erscheint wöchentlich auf der Internetseite der Kirche in der Region Würzburg.