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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Auf den Kopf gestellt

Jesus fragt uns nach unserer Gottesbeziehung. Ist mein Herz, mein heiligster Ort, besetzt oder frei für Gott? Oder gleicht es einem Marktplatz meiner verschiedenen Interessen?

Gedanken zum Sonntagsevangelium – Dritter Fastensonntag

Evangelium

Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttete er aus und ihre Tische stieß er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich. Da stellten ihn die Juden zur Rede: Welches Zeichen lässt du uns sehen als Beweis, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte. Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, als sie die Zeichen sahen, die er tat. Jesus aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen ist.
Johannes 2,13–25
 
Israel ist in Festtagsstimmung. Pascha, die Befreiung aus der Sklaverei, wird bald gefeiert und die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Die Menschen sind bewegt und kommen in Bewegung. Viele haben sich aufgemacht nach Jerusalem, um ihrem Gott nahe zu sein. Der Tempel als Ort der Präsenz Gottes ist ihr Ziel.

Jesus, ausgerichtet auf den himmlischen Vater, ist mittendrin in diesem Pilgerstrom. Doch im Tempel offenbart sich ein fundamentaler Gegensatz. Das Geschäft blüht. Das Allerheiligste ist zu einer Markthalle verkommen. Man kann sich die Lautstärke der Händler und das Geschrei der Tiere vorstellen. Das geschäftige Treiben der Menschen bestimmt die Szenerie. Jesus fühlt sich wie im falschen Film. Inmitten der Menge ist er einsam und allein, weil der Ort der innigen Begegnung zwischen Gott und Mensch, zwischen Vater und Kindern nicht mehr existiert. Nur merkt das niemand! Keiner hat begriffen, dass dieser Ort seine Heiligkeit eingebüßt hat. Gott ist tot, es lebe das Geschäft!

Es herrscht geistliche Prostitution. Das System von Entschuldung gegen Opfer hat aus lebendigen Gläubigen fromme Dealer gemacht. Die Einhaltung der Gebote hat nur noch den Sinn, sich Gott vom Leib zu halten, um seine Ruhe zu haben, oder verschreckte Seelen zu sedieren. Ausgerechnet Pascha macht sichtbar, dass die Menschen längst in einer anderen Knechtschaft gelandet sind. Sie schmachten in den Gefängnissen ihrer Götter, zu denen sie unterwegs sind. Diese Sklaverei ist jedoch viel gefährlicher, weil sie subtiler ist und kaum wahrgenommen wird.

Jesus schreit auf. Seine Geschwister so zu erleben tut unendlich weh. Aus einem Gemisch von Trauer und Wut macht er sich daran, Gott seinen Platz zurückzugeben. Das bedeutet, alles fortzuschaffen, was sich an dessen Stelle gesetzt hat. Damit wird Jesus für das System zu einer Bedrohung und zur Rede gestellt. Er soll sich „ausweisen“ und seine Vollmacht nachweisen. Die Antwort Jesu können Menschen des Systems nicht verstehen, weil sie das System auf den Kopf stellt: Der Tempel ist gottlos geworden. Damit haben auch die Priester ihre Macht verloren; sie werden in ihrer Exklusivität nicht gebraucht.
 
Im Gegenteil: Sie stehen im Weg. Priester und Priesterin sind wir, weil wir durch Christus selbst zum Tempel Gottes geworden sind. Es braucht auch kein Gebäude aus Stein, um Gott zu begegnen. Der Ort, den das blinde System als von Gott verflucht erklärt, wird sich als der heiligste, als Ort der tiefsten Offenbarung der Liebe Gottes erweisen: das Kreuz; in der Sprache Jesu meint das unsere leidenden Schwestern und Brüder.
 
„Wisst ihr nicht, dass ihr Tempel des Heiligen Geistes seid?“, hatte auch Paulus uns zugerufen. Er und Jesus fragen uns nach unserer Gottesbeziehung. Ist mein Herz, mein heiligster Ort, besetzt oder frei für Gott? Gleicht es einem Marktplatz meiner verschiedenen Interessen oder ist es absichtsloser Begegnungsmittelpunkt zwischen Gott und mir? Noch zugespitzter lautet die Frage an mich: Liebst du Gott? Denn Liebe ist immer absichtslos.

Wer dieser Frage in Wahrhaftigkeit nachgeht, spürt, dass wir voll sind mit eigenen Wünschen, Plänen und Interessen. Eine Tempelreinigung tut Not, damit wir befreit werden von uns selbst – und damit das Ich sagen lernt: „Du!“
 
Volker Krieger ist Pastoralreferent in der Pfarreiengemeinschaft Knetzgau und Initiator der „Pilger-Kirche“.