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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Wort zum Sonntag am 19. Juli 2020

Blick auf den Lebensacker

Dass der Gutsherr im Gleichnis seinen Knechten verbietet, das Unkraut auf dem Acker auszureißen, ist auch eine Aufforderung an uns, das Unkraut auf unserem Lebensacker anzuschauen und uns damit auseinanderzusetzen. Es ist da, es will wahrgenommen werden.

Evangelium

In jener Zeit erzählte Jesus der Menge folgendes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Ernte und zur Zeit der Ernte werde ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune!

Matthäus 13,24–30

Was Jesus über das Unkraut unter dem Weizen sagt, kennt die moderne Psychologie als Aspekte des sogenannten Schattenprinzips. Ganz allgemein heißt das: Wo viel Licht ist, ist immer auch viel Schatten. Das eine geht nicht ohne das andere. Geerntet, Bilanz gezogen wird erst am Schluss. Bis dahin darf beides wachsen und reifen. Das ist eine große Botschaft Jesu. Dass der Gutsherr im Gleichnis seinen Knechten verbietet, das Unkraut auf dem Acker auszureißen, ist auch eine Aufforderung an uns, das Unkraut auf unserem Lebensacker anzuschauen und uns damit auseinanderzusetzen. Es ist da, es will wahrgenommen werden. An anderer Stelle lesen wir von Jesus, dass wir uns zwar oft am Splitter im Auge des anderen erregen, den Balken im eigenen aber nicht bemerken (Mt 7,3).

Jesus will unser Bewusstsein schärfen, und das völlig zurecht. In der modernen Psychologie heißt das: Wir sollen unseren eigenen Schatten (an)erkennen und in unser Leben integrieren.

Für was steht aber das Unkraut? Es steht für alles in unserem Leben, womit wir noch nicht im Reinen sind; für alle unsere Lebenswunden, die wir noch nicht heilen konnten. Ist beispielsweise jemand schnell im Urteilen gegenüber anderen, ist er meist selbst wenig kritikfähig und mit seinem Leben sehr unzufrieden. Mehr noch, er neigt dazu, auch mit sich selbst hart ins Gericht zu gehen. Das ist so, weil er vielleicht schon in einer strengen Kindheit mit viel Kritik umgehen lernen musste und das Gefühl hatte, nicht gut genug zu sein. Das überträgt er unbewusst auf andere.

Die Psychologie nennt so ein Verhalten Projektion. Früher spiegelte ein Projektor in der Schule einen Text für alle sichtbar an die Wand des Klassenzimmers. Im Prinzip macht unser Verstand dasselbe: Er spiegelt uns ein eigenes Thema im Verhalten eines anderen Menschen.

Natürlich ist es eine anspruchsvolle Aufgabe, sich auf diese Weise mit sich selbst auseinanderzusetzen. Aber so können wir, wenn wir dafür bereit sind, unseren Schatten erkennen, das Unkraut, das in uns selbst gewachsen ist. Oft liegen solchen Themen eben traumatische Kindheitserlebnisse zugrunde. Wem echte Geborgenheit und Fürsorge durch die Eltern fehlte, wer erfahren hat, dass er immer nur funktionieren musste, um Anerkennung zu bekommen, nimmt so eine Erfahrung mit ins Erwachsenenleben und wird an diesem Erfahrungsmuster auch unbewusst festhalten, obwohl er es gar nicht will.

Nun könnte man meinen, all dieses Unkraut müsse dann wohl etwas Schlechtes sein. Im Gleichnis fordert der Gutsherr, zuerst das Unkraut zu sammeln und es dann zu verbrennen. Man könnte denken, das Unkraut ist eh nichts wert, also nichts wie weg damit. Doch für mein Empfinden steckt im Verbrennen eine sehr positive Botschaft. Wir alle wissen um die Kraft des Feuers. Das Feuer hat die Fähigkeit, etwas zu verwandeln, Holz etwa. Auf diese Weise spendet es Wärme und bringt Licht in die Dunkelheit.

Mit dem Weizen, den wir symbolisch als Bild für die Talente und die „positiven Seiten“ in uns betrachten können, können wir meist schon gut umgehen. Und wenn wir auch aus und mit den „negativen Seiten“ in uns, dem Unkraut, lernen, dann können wir etwas zusätzlich zum Guten verwandeln. Um im genannten Beispiel zu bleiben: Wir können hartes Kritisieren, gerichtet gegen andere und uns selbst, zu Mitgefühl werden lassen und in uns ein Feuer der Selbstliebe entfachen. So kann es uns und anderen Wärme spenden und Licht in die Schattenseiten unseres Lebens bringen.

Susanne Wahler-Göbel ist freiberufliche Theologin und Körpertherapeutin in Bad Kissingen.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.