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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Wort zum Sonntag am 7. November 2021

Das Letzte gegeben

Sowohl im Judentum als auch im Islam gehört Almosengeben zu den wichtigsten Pflichten eines Gläubigen. Ebenso kennt das Christentum das Spenden – auch wenn es hier nicht als ein Gebot festgeschrieben ist. Wir zahlen Steuern, doch darüber hinaus existiert die freiwillige Gabe, die von Herzen kommt. Kann ich wirklich 10 Prozent, wie es manchmal gefordert ist, von meinem Einkommen geben? Ich gebe zu, das schaffe ich nicht.

Evangelium

In jener Zeit lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Umso härter wird das Urteil sein, das sie erwartet. Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hinein­geworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.

Markus 12,38–44

Im Evangelium dieses Sonntags ist von Schriftgelehrten die Rede. Schriftgelehrte waren Lehrer des Judentums. Sie legten die Schrift aus und überlieferten die Gebote. Dabei gab es mit Sicherheit solche und solche.

Der Evangelist Markus kritisiert sie mit scharfen Worten. Welche Erfahrungen mag er wohl mit ihnen gemacht haben? Er schreibt von langen Gewändern, mit denen sie sich zur Schau stellten – das frühe Christentum kannte keine liturgischen Gewänder. Sie beanspruchten die vordersten Plätze, ganz im Gegensatz zu Jesu Worten, sich nicht selbst zu erhöhen, sie plapperten Gebete, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Und zu allem Überfluss verzehrten sie die Häuser der Witwen, wie der Wortlaut ebenso übersetzt werden könnte.

Witwen hatten zur damaligen Zeit keine gesicherten Lebensgrund­lagen, wenn sie keine Familie hatten, bei der sie lebten und von der sie versorgt werden konnten. Sie waren an den Rand gedrängte Menschen. Sie zählten für Jesus zu den besonders schützenswerten Gruppen.

Markus belegt die Schriftgelehrten hier pauschal mit dem Vorwurf der Scheinheiligkeit. Für ihn haben sie einen nur nach außen zur Schau gestellten, angeblich gottgefälligen Lebenswandel, sind nur zum Schein heilig und tun nicht das, was sie predigen.

Szenenwechsel. Markus verknüpft – ausgehend von den Witwen im ersten Teil – eine andere Episode, die sich so vielleicht zugetragen hat, vielleicht auch nur als Beispiel­geschichte niedergeschrieben worden ist: Reiche geben im Tempel von ihrem Überfluss, eine arme Witwe gibt nur zwei kleine Münzen.

Erst beim wiederholten Lesen ist mir aufgefallen, dass jetzt nur noch von Reichen die Rede ist, nicht mehr von Schriftgelehrten. Der vorangestellte Absatz lässt mich allerdings die Reichen mit den Schriftgelehrten und all ihren negativen Eigenschaften assoziieren. Ist das von Markus bewusst so beabsichtigt? Ich werde mir der Gefahr bewusst, wie schnell ich über andere urteile.

Ich könnte es auch anders lesen. Die Reichen werden hier nicht als scheinheilig kritisiert.

Klar steht da, dass sie nur von ihrem Überfluss geben, die Witwe aber alles, was sie für diesen Tag zum Leben hatte. Bemessen an ihrem Gesamtvermögen ist das prozentual also eine riesige Summe für sie. Das Opfer der Witwe ist größer, dennoch ist die Abgabe der Reichen nicht schlecht.

Sowohl im Judentum als auch im Islam gehört Almosengeben zu den wichtigsten Pflichten eines Gläubigen. Ebenso kennt das Christentum das Spenden – auch wenn es hier nicht als ein Gebot festgeschrieben ist. Wir zahlen Steuern, doch darüber hinaus existiert die freiwillige Gabe, die von Herzen kommt. Kann ich wirklich 10 Prozent, wie es manchmal gefordert ist, von meinem Einkommen geben? Ich gebe zu, das schaffe ich nicht.

Ich habe Papst Franziskus im Ohr, der den entfesselten Kapitalismus kritisierte mit den Worten: „Diese Wirtschaft tötet.“ Wenn ich mir Millionengehälter auf der einen Seite anschaue und Hungerkatastrophen, Chancenungleichheit und sklavenähnliche Ausbeutung auf der anderen Seite, dann stelle ich fest, dass etwas nicht stimmt auf dieser Welt. Das kleine Evangelium der Witwe, die alles gab, erinnert mich daran, die Welt ein Stück gerechter zu hinterlassen, als ich sie vorgefunden habe.

Nicht Quantität, sondern Qualität zählt! Nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf den inneren Willen kommt es an, um menschenwürdiges Leben für alle zu ermöglichen.

Katrin Fuchs ist Pastoralreferentin in der Pfarreiengemeinschaft Erlenbach-Triefenstein und im Pastoralen Raum Marktheidenfeld.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.