Seit Corona ist das Singen allerdings in Verruf geraten: Zu viel Aerosolbildung – zu groß die Ansteckungsgefahr. Im Gottesdienst wird, wenn überhaupt noch, wenig und hinter Mund-Nasen-Bedeckung gesungen. Chöre dürfen nicht mehr gemeinsam proben. Das Singen im Chor ist zum „gefährlichsten Hobby (oder Beruf) der Welt“ geworden (Carsten Gerlitz).
Für Martin Luther war klar: Mit Musik und Singen kann man Schwermut, ja, den Teufel selbst verjagen. So empfiehlt er seinem „ehrbare(n), günstige(n) Freund“ Matthias Weller, der Musiker am Hof Heinrichs von Sachsen war, in einem Trostbrief vom Oktober 1534: „Darumb, wenn Ihr traurig seid, und will uberhand nehmen, so sprecht: Auf! ich muß unserm Herrn Christo ein Lied schlagen auf dem Regal. (…) Kommet der Teufel wieder und gibt Euch ein Sorge oder traurige Gedanken ein, so wehret Euch frisch und sprecht: Aus, Teufel, ich muß izt meinem Herrn Christo singen und spielen“.
Die Sprache ist alt, die Empfehlung aber immer noch aktuell. Natürlich lässt sich Corona nicht wegsingen – aber die Schwermut, die Sorge, die depressive Verstimmung schon. Denn auch wenn das öffentliche, gemeinsame Singen verboten ist, kann ich für mich alleine singen – oder auch mit denen, die bei mir wohnen. Ein Kanon zum Frühstück, mein Lieblings-Song unter der Dusche, ein Gute-Nacht-Lied für mein Kind. Es tut der Seele gut! Und wir halten uns damit in Übung und über Wasser, bis wir irgendwann mit dem Singen wieder richtig loslegen können in den Chören und Gottesdiensten.
Eva Güther-Fontaine, evangelische Pfarrerin Alzenau
Das Kreuzwort erscheint jeden Samstag im Serviceteil der Lokalzeitung “Main Echo” und online auf der Internetseite der Region Aschaffenburg.