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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Fern vom Oben und Unten

Das Bild vom Hirten und den Schafen ist zur Karikatur einer Hierarchie geworden, und zu Recht reagierten und reagieren heute noch viele mit Ablehnung und Widerstand darauf.

Betrachtung zum Sonntagsevangelium – Vierter Sonntag der Osterzeit

Evangelium

In jener Zeit sprach Jesus: Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

Johannes 10,11–18

Irgendwie hat sich das Bild vom Hirten und den Schafen im Laufe der Jahrhunderte verschoben. Es ist zu einem Zerrbild der katholischen Kirche geworden. Oben die Hirten, unten die Schafe. Oben die, die ihre Stimme ertönen lassen in Hirtenworten, Enzykliken, Kirchengesetzen, unten die stimmlosen Herdentiere, die sich herumkommandieren und herumführen lassen müssen und bedingungslos zu gehorchen haben.

Das Bild vom Hirten und den Schafen ist zur Karikatur einer Hierarchie geworden, und zu Recht reagierten und reagieren heute noch viele mit Ablehnung und Widerstand darauf. Wer will schon wie ein "dummes" Schaf behandelt werden? Wer will schon wie ein willenloses Herdentier in Abhängigkeit gehalten werden? Wer möchte dauerhaft in dem Gefühl leben, von "denen da oben" gemolken, geschoren, vermarktet zu werden? Solche Schafe wollen wir nicht mehr sein!

Aber halt! Das ist nicht das Bild, das Jesus gezeichnet hat. Richtig verstehen können wir dieses Evangelium erst dann, wenn wir unser menschengemachtes Zerrbild von Kirche mal beiseiteschieben und uns darauf einlassen, dass Jesus uns etwas von seiner Beziehung zu uns erklären will. Da tut sich auf einmal eine ganz andere Welt auf. Was haben Schafe, die von einem solch guten Hirten geführt werden, nicht für ein Leben! Sie sind keine Nummern, sondern sie haben Namen. Sie werden in ihrer Individualität erkannt und ernst genommen. Der Hirte kennt sie alle – und sie kennen ihren Hirten. Sie wissen, dass er ihnen nichts Böses will. Sie freuen sich, wenn sie seine Stimme hören. Sie gibt ihnen Geborgenheit und Sicherheit.

Es geht nicht um Macht, nicht um Oben und Unten. Der gute Hirte steht für die Fürsorge und den Schutz Gottes, die bei den Menschen Vertrauen schaffen. Seine Führung ermöglicht Leben. Seine Sorge gewährt Sicherheit. Seine Stimme hören und ihr folgen, das hält die Herde zusammen.

Dann sind da noch die anderen Schafe aus anderen Ställen, die Jesus auch führen muss. Die auch auf seine Stimme hören. Ist das nicht ein großartiges Bild für Ökumene? Im Hören auf die Stimme des einen guten Hirten ist Verschiedenheit nicht mehr trennend, sondern ermöglicht die Einheit in Verschiedenheit. 

Spätestens an diesem Punkt der Betrachtung ist mir klar: Da können die Schafe nicht sagen, wir wollen keine Schafe mehr sein, wir wollen selber bestimmen, wo und wie es langgeht. Die eine große Herde zu bilden und zu führen, das kann nur ein Hirte – und zwar ein guter. Keiner, der nach Feierabend nicht mehr da ist. Keiner, der bei Gefahr flüchtet. Keiner, der seinen Job und die Schafe nur unter dem Gesichtspunkt von Verdienst und Wirtschaftlichkeit sieht. Das kann nur ein Hirte, der sich mit Leib und Seele aufopfert für die Schafe.

In den Anfängen der Christenheit haben die Gläubigen Christus häufig als guten Hirten abgebildet, vor allem auf Sarkophagen. Ein Bild des Trostes. Wie der gute Hirte das Schaf trägt, so wird der Gläubige von Christus geführt und getragen bis zur Vollendung des Lebens über den Tod hinaus. 

Ich wünsche mir, dass die frohe Botschaft dieses Gleichnisses uns auch zu einem neuen Umgang in unserer Kirche bringt. Ich wünsche mir, dass es in unserer Kirche nicht mehr so sehr um Oben und Unten geht, sondern um das Hören der Stimme Jesu, unseres guten Hirten. In diesem Sinne wünsche ich uns auch, dass der künftige Oberhirte des Bistums Würzburg genau dies mit uns tut.

Joachim Kestler ("musikschulehackenbruch@t-online.de") war von 1987 bis 1991 Priester der Diözese Würzburg. Heute verheiratet, engagiert er sich im Netzwerk "Priester im Dialog".

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.