Sinn & Religion am 7. Dezember 2018
„Im Moment sind alle unsere Mitarbeiter im Kundengespräch“. Es folgte eine gedudelte Melodie. Ich wurde kribbelig, versuchte mich abzulenken und blätterte parallel in der Zeitung. Nach zwei Minuten legte ich genervt auf. Kennen Sie so etwas auch? Ich hatte danach schlechte Laune und ärgerte mich über mich selbst. War mir mein Anliegen nicht wichtig genug? Oder will ich mich nur nicht in eine Warteschleife verwickeln lassen? Ich weiß, das Warten gehört nicht zu meinen Stärken. Ich beobachte das auch bei anderen Menschen. An der Supermarktkasse wirken Kunden gestresst, wenn es nicht schnell genug voran geht. Auch ich bin oft versucht, die Zeit zu „nutzen“, indem ich noch schnell die neuesten Nachrichten auf dem Smartphone abrufe.
Advent - die Zeit des Wartens und der Ruhe, in der wir uns besinnen auf das, was kommt? Ich nehme wahr, dass das vielen Menschen immer schwerer fällt. Stattdessen verklären wir unsere Kindertage und die kreative Langeweile von früher. Und heute? Heute haben wir den Eindruck, dass die Zeit nur so dahin rast, besonders in der Vorweihnachtszeit, mit all unseren Terminen und den vielen Erledigungen. Zudem gibt es so vieles, worüber wir uns immer auf dem Laufenden halten wollen: die brennenden Probleme in der Welt, die Diskussionen in der Lokalpolitik oder die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über unseren Kaffeekonsum.
Können und wollen wir uns von all dem frei machen und ganz abschalten? Ich weiß, dass es mir nicht gelingen wird. Oder richtig gesagt: ich will es gar nicht. Eines habe ich mir allerdings vorgenommen: ich will ab und zu meinen eigenen Schalter umlegen. Ich will die aufgezwungenen Momente des Wartens als gewonnene Zeit sehen. Ich habe mir vorgenommen, mehr auf diese kleinen Geschenke des Alltags zu achten: die Minuten der geschenkten freien Zeit beim Einkaufen, beim Warten auf den nächsten Termin beim Arzt oder bei der nächsten roten Ampel. In diesen unverhofften Momenten muss ich nichts tun. Sie sind nur für mich.
Ich allein bin verantwortlich, wie ich meine Warteschleifen bewerte und ob ich mich durch sie stressen lasse. Ich habe mir für die Adventszeit vorgenommen, täglich mindestens einen dieser Momente zu genießen. Ich habe mir vorgenommen, für einen solchen geschenkten Augenblick des Wartens DANKE zu sagen.
Helga Neudert ist Diözesanreferentin für Ganztagsschulbildung und Religionslehrerin im Kirchendienst.
Der Impuls "Sinn & Religion" erscheint wöchentlich auf der Internetseite der Kirche in der Region Würzburg.