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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Wort zum Sonntag am 16. August 2020

Gott – weit und grenzenlos

Diese Bibelstelle zeigt: Gott ist in Jesus wirklich Mensch geworden, einer von uns, einer, der lernt und sich auf den Weg macht.

Evangelium

In jener Zeit zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Und siehe, eine kanaanäische Frau aus jener Gegend kam zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält. Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her! Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Doch sie kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen. Da entgegnete sie: Ja, Herr! Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.

Matthäus 15,21–28

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, heißt es in der Erklärung der Menschenrechte. Niemand darf aufgrund von Rasse, Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung diskriminiert werden. Die katholische Kirche hat sich lange schwergetan mit der Anerkennung der Menschenrechte. Heute dagegen gilt die Kirche in internationalen Zusammenhängen als einer ihrer großen Anwälte.

Dass hier trotzdem noch viel zu tun bleibt, zeigen die Diskussionen zur Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche. Jesus verkündete jedenfalls einen Gott der Weite, einen Gott, dessen grenzenlose Liebe niemanden ausschließt und der Leben in Fülle für alle Menschen wünscht. Umso verstörender wirkt da der Bibeltext dieses Sonntags. Ein un­gewöhnliches Bild von Jesus wird hier gezeichnet, weist er doch eine Frau in großer Not schroff zurück. Sie fleht ihn um Heilung ihrer Tochter an, die schwer erkrankt ist, von einem Dämon gequält wird, wie man damals sagte. Einziger Grund für die Zurückweisung: Sie hat den falschen Glauben, ist keine Jüdin. Die Jünger sind genervt von der hartnäckigen Frau und ihrem Geschrei. „Schick sie weg“, fordern sie. Und Jesus, von dem wir Menschlichkeit und Zuwendung gewohnt sind, erklärt sich für nicht zuständig. Schließlich gebe man das Brot doch den Kindern, nicht den Hündchen.

Manche Übersetzungen sagen „Hunde“, was an herumstreunende schmutzige Straßenhunde denken lässt, in orientalischen Gegenden eine der schlimmsten Beleidigungen, häufig verwendet, um Heiden herabzusetzen. Dem Urtext angemessener und etwas weniger schroff ist wohl die hier gewählte Übersetzung mit Hündchen, kleine Hunde, was eher an Haustiere erinnert, die auch damals schon beliebt waren und irgendwie zum Haushalt dazugehörten.

Dennoch ist auch das wohl kein angemessener Vergleich für einen verzweifelten Menschen in Not.

Weniger befremdlich erscheint die Erzählung von ihrem Ergebnis her betrachtet. Am Ende lässt sich Jesus von der Frau überzeugen. Die Tochter wird geheilt. Ja, Jesus preist sogar den Glauben, das Vertrauen der Frau in ihn. Da ist er wieder, Jesus, der dadurch fasziniert, wie er Nähe herstellt, wie er durch Begegnung heilt und die Liebe Gottes nicht nur verkündet, sondern konkret spürbar werden lässt.

Es scheint so, als habe er im Gespräch mit der heidnischen Frau selbst etwas Entscheidendes gelernt über Gott – nämlich dass er weit und grenzenlos ist und sich allen Menschen zuwendet, nicht nur dem Volk Israel. Das ist es, was mir diese Bibelstelle so sympathisch macht, zeigt sie doch: Gott ist in Jesus wirklich Mensch geworden, einer von uns, einer, der lernt und sich auf den Weg macht. So wie auch ich meinen Glauben immer wieder neu lernen muss. Und so wie die Kirche lernte und immer noch weiter zu lernen hat, dass allen die gleiche Würde zukommt, Frauen und Männern, Klerikern und Laien, Christen und Nichtchristen.

Bezeichnend auch, dass Jesus hier von einer Frau lernt, in einer Zeit, in der es schon verpönt war, als Mann in der Öffentlichkeit überhaupt nur mit einer Frau zu sprechen. Jesus setzt sich darüber hinweg. In seiner Gemeinschaft scheint es überraschend gleichberechtigt zugegangen zu sein.

Ich bin dankbar für die grenzenlose Weite des christlichen Glaubens. Um sie wirklich im Alltag leben und verwirklichen zu können, bitte ich Gott immer wieder neu um Einsicht und Lernbereitschaft, sowohl für mich als auch für die gesamte Gemeinschaft der Kirche.
 

Wolfgang Scharl ist Landvolkseelsorger der Diözese Würzburg und Präsident des Weltverbandes Katholischer Landvolkbewegungen.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.