Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Sinn & Religion am 03. Januar 2020

Kipppunkte

Am Kipppunkt kommt ein System zum Zusammenbruch. Bis dahin können Verschiebungen und Veränderungen des Gleichgewichts noch repariert und durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden.

Wenn jedoch ein System zusammenbricht, erfolgen Kettenreaktionen und Verselbständigungen bislang zusammengehörender Prozesse und harmonischer Entwicklungen, die alles in eine Katastrophe mitreißen; unaufhaltsam, unsteuerbar, unkontrollierbar. So erklären die Wissenschaftler die Folgen, wenn ein gefährdetes Gleichgewicht und ein schwankendes System nicht noch rechtzeitig korrigiert und ausgeglichen wird, sondern kippt. So ist wohl auch eine Klimakatastrophe zu verstehen. Hier sind keine Wetterveränderungen oder Verschlechterungen der Lebensverhältnisse gemeint, sondern ein ganzes Lebenssystem auf der Erde, welches kippt und zusammenbricht. Klingt in seiner Nüchternheit erschreckend. Und ist es auch hoffentlich. Denn im Unterschied zu verschiedenen Kipppunkten und Katastrophen in der frühen Erdgeschichte geht es heute um einen von den Menschen verursachten, von den Menschen noch korrigierbaren, aber möglicherweise das menschliche Leben existenzbedrohenden Systemzusammenbruch. Und das Tückische am Kipppunkt ist, dass es lange so scheint, als ob das Gleichgewicht noch ziemlich gut erhalten sei, aber dann doch plötzlich Kettenreaktionen erfolgen und alles Bekannte und Gewohnte wie Dominosteinreihen zusammenbricht.

Einen Wendepunkt der Schöpfungsgeschichte markiert die Zeitzählung nach Christi Geburt. Aber ist das nur eine fromme Gewohnheit mittelalterlichen Denkens oder wirklich die Anerkennung eines Kipppunkts zu einem echten Systemwechsel? Hat die Weihnacht die Welt so grundsätzlich verändert, dass die Jahre zu Recht neu gezählt werden konnten? Ursprünglich wurde Weihnachten gar nicht separat gefeiert, sondern zusammen mit der Taufe Jesu im Jordan als das Fest der Erscheinung, der Theophanie. Weihnachten ist nur der Krippengeburtstag des bereits 9 Monate vorher menschgewordenen Gottessohnes. Das ist ein Aspekt der Theophanie: Gott ist nicht mehr nur Schöpfer und Lenker, sondern nimmt selbst die menschliche Natur an. In der Jordantaufe zeigt sich ein weiterer und weiterführender Aspekt: Der Gottessohn steigt in die Natur, die Naturelemente, ja bis in das Wassers hinab, also noch tiefer als die feste Erdoberfläche, und heiligt damit die ganze Natur. Natur ist ab diesem Moment nicht mehr das Gegenständliche, das Objekt, das Geschaffene, das seinem Schöpfer gegenübersteht, sondern Ort seiner Anwesenheit, der Heiligung.

Das muss auch Konsequenz für den Menschen haben, dem die Natur nicht als gegenständlicher Besitz zum Eigennutz überlassen ist. Wenn der Mensch sich in der Schöpfungsgeschichte zum Herrscher eingesetzt weiß, so erhält er nun den Maßstab und das Vorbild, dem er folgen soll. Der Mensch soll so Herr der Schöpfung sein, wie Christus der Herr ist, der demütig ins Wasser gestiegen ist, um einzutauchen in diese durch ihn geheiligte Schöpfung. „Heute haben sich Himmel und Erde vereint“, sing ein alter Kirchenhymnus. Da kippen alle bisherigen Gegensätze und Distanzen, da beginnt ein neues Weltverständnis. Vielleicht könnte der Jahresanfang zu einem persönlichen Kipppunkt alten und unwahren Denkens und Handeln werden.

P. Martinos Petzolt