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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Wort zum Sonntag am 5. September 2021

Mensch, öffne dich

Viele Zeitgenossen verschließen ihre Augen und Ohren; und so bleiben sie blind für die Notsituationen ihrer Mitmenschen. Manche wollen bewusst taub bleiben und nicht hören, wenn jemand an die Tür klopft. Manche werden sprachlos, weil sie sich überfordert fühlen. Wir dürfen uns von Christus heilen lassen und Heilung weiterschenken.

Evangelium

In jener Zeit verließ Jesus das Gebiet von Tyrus und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

Markus 7,31–37

Bei „Wer wird Millionär?“ stellte kürzlich der beliebte Moderator Günther Jauch die Frage, in welchem Bereich 80 Prozent der davon betroffenen Erwachsenen männlich sind: a) Arthrose, b) Schielen, c) Stottern, d) Hühneraugen. Die richtige Antwort wäre Stottern gewesen. Auch wenn medizinisch gesehen dies anscheinend noch nicht richtig zu erklären ist, so kann man im übertragenen Sinn beobachten: Über persönliche Probleme können Männer kaum sprechen. Sie lassen nur ungern etwas ans Tageslicht kommen, das wie Schwäche aus­sehen könnte; und Tränen vergießen geht schon gar nicht.

In der Heilungsgeschichte im Evangelium kommt der Taubstumme nicht von sich aus auf Jesus zu, sondern andere Leute bringen ihn zum Herrn. Dieser nimmt ihn dann sogar zur Seite – abseits vom Volk –, um ihm einen geschützten Raum zu bieten. Jesus „seufzt“ – will heißen: ihn treibt etwas um; er ist ergriffen. Er leidet wegen der Ablehnung der Leute, die in biblischen Zeiten Krankheiten und körperliche Beeinträchtigungen als Folge der Sünde oder als Strafe Gottes gesehen haben. Und er hat Mitleid mit jedem Menschen, der krank oder ausgestoßen ist. Dann spricht der Herr ein Wort in seiner aramäischen Muttersprache: „Effata!“, das heißt: „Öffne dich!“ Dies gilt nicht nur dem taubstummen Kranken, sondern uns allen. Wenn wir zu hörbereiten Menschen werden, tragen wir dazu bei, die Welt besser zu machen.

Es gibt nicht allein Taubstumme im wörtlichen Sinn. Viele Zeitgenossen verschließen ihre Augen und Ohren; und so bleiben sie blind für die Notsituationen ihrer Mitmenschen. Manche wollen bewusst taub bleiben und nicht hören, wenn jemand an die Tür klopft. Manche werden sprachlos, weil sie sich überfordert fühlen. Wir dürfen uns von Christus heilen lassen und Heilung weiterschenken.

Jesus wurde vieles vorgeworfen: Die Schriftgelehrten sind empört, dass ihn manche für den Sohn Gottes, den Messias halten; die römische Besatzungsmacht hält ihn für einen Aufwiegler. Aber es gibt keine Gegendarstellungen, dass er nicht wirklich geheilt hätte und er ein Scharlatan oder Wunderheiler sei, der sich dafür auch noch habe bezahlen lassen.

Auch in der Jesaja-Lesung greift Gott ein: „Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf.“ Dies ist kein nüchterner Text, sondern wie in einer Musikkomposition beschreibt der Prophet die Auswirkungen, wenn Gott handelt und der Mensch sich öffnet. Die Herrschaft Gottes in dieser Welt beginnt mit dem Mann aus Nazareth, über den die Leute „außer sich vor Staunen“ sagen: „Er hat alles gut gemacht.“

In der Aschaffenburger Stiftsbasilika durfte ich vor Jahren fasziniert eine Gruppe von nicht hörenden oder schwer hörenden Menschen beobachten. Mit großem Interesse folgten diese Menschen der Führung in der Gebärdensprache. Applaudiert haben die Leute nicht durch Klatschen der Hände – hört ja keiner! Nein, sie hielten ihre Hände mit gespreizten Fingern hoch und brachten ihre Freude durch kurze Fächerbewegungen zum Ausdruck.

Dankbar bin ich auch für den frohen Gottesdienst in Bad Neustadt, wo die Mitarbeiterin, die in der Gehörlosenseelsorge tätig ist, die Gebete und meine Gedanken durch Gestik und Gesichtsmimik den Mitfeiernden vermittelt hat. Kommunikation ist immer möglich – man muss nur wollen!

Wolfgang Senzel ist Pfarrvikar in der Pfarreiengemeinschaft Dürrbachtal.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.