Ich zweifle, ob ich alles erledigt bekomme und frage mich, ob ich nicht doch etwas vergessen habe, ob die Zeit reicht, das Kreuzwort fertig zu stellen, ob mir überhaupt eine Idee kommt für ein Thema und … und … und … Wenn ich aufstehe, verzieht sich der Morgen-Geier zwar wieder und hat für den Rest des Tages keine Bedeutung. Ich erlebe auch, dass meine morgendlichen Befürchtungen und Zweifel in der Regel völlig umsonst sind. Aber es hilft nichts. Am nächsten Morgen ist er vielleicht schon wieder da und quält mich. Wie gerne wäre ich ihn los!
„Ich danke dir, mein himmlischer Vater, …“ so beginnt Martin Luthers Morgengebet, das Teil seines „Morgensegens“ ist. Von Zweifeln und Angst und vom Morgen-Geier keine Spur! Doch bin ich sicher, dass Martin Luther ihn sehr wohl kannte und unter ihm gelitten hat. Und ich bezweifle, dass sein erstes Gefühl beim Aufwachen stets die Dankbarkeit war. Aber er beginnt den Morgen mit Dankesworten. Er spricht damit gegen die Stimmen des Zweifels und der Angst an, die einen beim Erwachen tyrannisieren können, und überlässt ihnen nicht das Feld. Er dankt Gott für die Bewahrung seines Lebens vor den Gefahren der Nacht. Mehr braucht es erstmal nicht für die ersten Schritte in den neuen Tag.
Den Morgen-Geier für immer loswerden zu können – das ist wohl eine Illusion. Aber gegen ihn ansingen und -beten, das geht. Dazu reicht fürs erste Erwachen schon ein kurzer Satz oder ein Bibelwort, eine Liedzeile oder eine Formel, die ich mir bewusst aussuche und immer parat habe. Solche Worte können mich stärken, der Angst vor dem Tag die Stirn zu bieten und dankbar zu werden für das wunderbare Geschenk des Lebens. Denn das ist einfach da – ohne mein Zutun und noch vor allen Anforderungen des Tages.
Eva Güther-Fontaine, evangelische Pfarrerin
Das Kreuzwort erscheint jeden Samstag im Serviceteil der Lokalzeitung “Main Echo” und online auf der Internetseite der Region Aschaffenburg.