Hier im Bahnhofsviertel von Aschaffenburg geht es bunt zu, hier ist ethnische Vielfalt mit über 25 Nationen präsent. Ich spreche mit Lehrerinnen, ich schaue und beobachte - und ich staune: Denn ich meine geradezu sinnlich zu spüren, was hier jeden Tag eingeübt wird: Gelingende Integration. Und dies eben nicht mit weniger Religion, sondern im Gegenteil mit aktiv gelebter Religion.
Und deshalb arbeitete ich bereits zum zweiten Mal im Team der Schulabschlussfeier mit. Zusammen mit einem Islamlehrer und der Ethik-Lehrerin bereiteten wir sie gemeinsam vor. Das Thema war schnell gefunden: Wir staunen mit Abraham. Der biblische Abraham – im Koran heißt er Ibrahim – als Urbild des Glaubens. Und seine Ehefrau Sara als mutige Pragmatikerin, die nicht so recht glauben kann, was Gott ihrem Mann da verspricht. - Eine knappe Stunde staunen, danken, einander zuhören, voneinander lernen, miteinander singen, gemeinsam lachen.
Nein, ich bin nicht naiv. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Religionen. Natürlich gibt es auch an dieser Schule Streit, gewiss manchmal auch zwischen Nationalitäten. Natürlich wirkt sich die nationalistische Aufladung aus Ankara auch in Aschaffenburg negativ aus. Und wer noch mehr Haare in der Suppe finden wollte, würde sie bestimmt finden. Ach ja, und das Flüchtlingselend im Mittelmeer haben wir mit unserer Feier natürlich auch nicht gelöst.
Aber: Für mich ist diese Schule ein Leuchtturm aktiv gestalteter Integration mitten in unserer Stadt. Wie so viele andere Kindertagesstätten und Schulen ringsum. Mit gelebter Religion und gegenseitiger Wertschätzung, mit Toleranz gegenüber Andersdenkenden und dem einigenden Band der deutschen Sprache und den Werten unseres Grundgesetzes.
Übrigens: Die an einer deutschen staatlichen Fakultät ausgebildeten Islamlehrkräfte garantieren einen Religionsunterricht, der auf der Höhe der Zeit ist. Dazu braucht man sich nur ein islamisches Religionsbuch anzuschauen. Und natürlich gehört der Islam zu unserem Land. Weil die hier lebenden Muslime ein Recht auf freie Religionsausübung haben. Weil eine so gelehrte und gelebte Religion einen Menschen stark macht und nicht klein, unabhängig und nicht devot, wach für die Nöte seiner Mitmenschen und nicht gleichgültig gegenüber dem Leid anderer. Weil ein gelebter Glaube die beste Medizin ist gegen jede Form von Radikalismus und Unmenschlichkeit.
Rudi Rupp, evangelischer Dekan am Untermain
Das Kreuzwort erscheint jeden Samstag im Serviceteil der Lokalzeitung "Main Echo" und online auf www.ab.main-franken-katholisch.de.