So erzählt es die Legende. Und die wirkt sich aus bis heute. Die Martinsbräuche werden gerne gepflegt, und endlich ist das nach den mageren Corona-Jahren auch wieder möglich. Laternen gegen die November-Dunkelheit, Martinsfeuer gegen zwischenmenschliche Kälte und symbolische Mantelteilung als Ermahnung, die Bedürftigen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Dass dabei in diesem Jahr das Thema "Frieren und Wärme" im Wortsinne aktuell werden könnte, hätte in unseren Breiten wohl kaum jemand gedacht. Und doch ist das so. Im kommenden Winter werden Energiekrise und Inflation viele Menschen an ihre (finanziellen) Belastungsgrenzen bringen. Mancher sorgt sich vor der Kälte – vor der fühlbaren Kälte in den eigenen vier Wänden. Wir sind in diesem Jahr besonders aufgerufen, nach unseren Möglichkeiten "den Mantel zu teilen" und Wärme – auch rein physikalisch – weiter zu geben, als Institutionen, Kirchengemeinden, Pfarreien und kirchliche, soziale Einrichtungen ebenso wie als Einzelpersonen.
Dazu gibt es diverse Ideen und Anregungen. Bedarfsabfrage, Vernetzung und besonnener Umgang mit den eigenen Ressourcen sind da hilfreiche Kriterien. Sankt Martin gibt sie uns ja selber an die Hand. Er gibt nicht sein "letztes Hemd", sondern eine halben Mantel – und wendet damit konkrete Not, die ihm vor den Füßen liegt. Vielleicht werden ja die 300 Euro Energiepauschale für den Einen oder die Andere der "Martinsmantel 2022", der sich gut teilen lässt. Eine gesegnete Zeit mit genügend Wärme wünsche ich Ihnen!
Eva Güther-Fontaine, evangelisch-lutherische Pfarrerin in Alzenau
Der Impuls "Kreuzwort" erscheint wöchentlich auf der Internetseite der Region Aschaffenburg.