Zu Beginn der pädagogischen Ausbildung geht es natürlich auch um die Frage nach dem Sinn religiöser Bildung und Erziehung. Ganz häufig kommt: Das sollen die Kinder später einmal selber entscheiden. Wir möchten den Kindern nichts vorschreiben und sie dadurch manipulieren.
Diese Grundhaltung der Freiheit zieht sich in den letzten Jahren wie ein roter Faden durch die Gespräche. Die hohe Bedeutung der Freiheit ist für mich im Vergleich zu den Zwangsmaßnahmen früherer Jahre (nicht nur in religiöser Erziehung) ein großer Gewinn. Mir stellt sich aber die Frage, ob damit nicht manchmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird? Denn: Kinder sind Kinder und in ihrer geistigen Entwicklung nicht immer voll entscheidungsfähig. Und: Drücken sich manche Erwachsene vielleicht vor der eigenen Entscheidung und Verantwortung, indem sie Kindern Dinge zum Entscheiden geben, die sie noch gar nicht voll überblicken?
Ein gewagter Vergleich: Kinder werden heute sehr früh dazu angehalten, sich die Zähne zu putzen. Ob sie den Sinn dieser Gesundheitserziehung ganz erfassen? Warum machen wir (Groß)Eltern oder die Erzieherinnen es dennoch und zwar mit Nachdruck? Weil uns die (Zahn)Gesundheit ein hoher Wert ist. Weil wir wissen, dass ein solches Ritual gut für das Kind ist und es nachhaltig in einer positiven Beziehung zu seinem Körper beeinflusst.
Und wie ist es mit dem Verhältnis zu Glaube und Religion? Wie entwickelt ein Kind sein Konzept von Gott?
Neuere Forschung (u.a. Prof. Szagun) nimmt hier eine wichtige Unterscheidung vor. Das Gotteskonzept von Kindern entwickelt sich auf zwei Ebenen: die kindliche Gottesvorstellung und die kindliche Gottesbeziehung. Die Gottesvorstellung ist orientiert an der Denkentwicklung des Kindes und prägt den rationalen Teil, das Denken über Gott. Die Gottesbeziehung ist der emotionale Aspekt des Gotteskonzepts. Dieser hängt davon ab, wie das Kind im Allgemeinen Beziehungen zu bedeutsamen Menschen erfährt und in welchem emotionalen Kontext es auf Gott hingewiesen wird. Zum Beispiel: erfährt das Kind am Abend eine Gute Nacht Ritual, das es emotional als positiv erlebt und z.B. mit einem religiösen Zeichen verknüpft ist, so speichert das Kind „Religion“ „Gott“ emotional positiv ab. Es kann dann beruhigt in die Dunkelheit der Nacht hinübergehen. Ein anderes Beispiel: Wir sitzen zu Tisch und es wird eine Kerze entzündet, wir nehmen uns an den Händen und sagen „Danke guter Gott“. Dann speichert das Kind emotional das gute Gefühl ab und kognitiv prägt sich Dankbarkeit und die Verbindung zu Gott ein. Sind das nicht wesentliche Grunderfahrungen, die auch für uns als Erwachsene relevant sind? Sollten wir Kinder daran nicht teilhaben lassen? Die Entscheidung darüber treffen wir Erwachsenen. Die Kinder werden sie später auch treffen können, wenn sie entsprechende positive Erfahrungen gemacht haben.
Dr. Peter Müller, Fachakademiedirektor
Der Impuls "Kreuzwort" erscheint wöchentlich auf der Internetseite der Region Aschaffenburg.