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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Wort zum Sonntag am 16. Oktober 2022

Zum Stachel werden

Wo wir für das Recht einstehen und dabei auf ungerechte, uninteressierte, gleichgültige Menschen treffen, die in der Lage sind, Recht zu sprechen, lädt Jesus uns ein, ihnen auf die Nerven zu gehen, unermüdlich, voller Leidenschaft, vielleicht auch mal kreativ „am Ball“ zu bleiben und um unser Recht zu kämpfen.

Evangelium

In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Lukas 18,1–8

Es gibt viele Bilder, die versuchen, Gott zu beschreiben. Auch wenn sie Gott nie in seiner Gesamtheit beschreiben können, zeigen sie doch jeweils eine von unendlich vielen Arten, wie ihn Menschen kennengelernt haben. Das Bild vom Richter wurde lange Zeit hervorgehoben: Gott, der am Ende unserer Tage Gericht hält, der die Guten von den Bösen trennt und über unser Leben urteilt. Im Bewusstsein von (eigenen) Fehlern hat die Kirche den strafenden Gott dabei oft sehr betont. Angst vor dem Sterben und dem bevorstehenden „Letzten Gericht“ war die Folge.

Heute nun hören wir davon, wie eine Frau einem Richter gegenübertritt, auf dessen Hilfe sie angewiesen zu sein scheint. Mich beeindruckt, wie ausdauernd und geduldig sie sich und ihrer Not Gehör verschafft und dabei um ihr Recht kämpft. Die biblische Einheitsübersetzung bezeichnet den Richter als rücksichtslos, der Begriff „gleichgültig“ findet sich in einer anderen Übersetzung. Der Richter kümmert sich jedenfalls nicht um das berechtigte Anliegen der – in der damaligen Gesellschaft unbedeutenden – Witwe.

Dass Menschen ihre Aufgabe nicht ernst nehmen oder wahrnehmen, erleben auch wir häufig. Manche urteilen schnell darüber – oft ohne danach zu fragen, was diese Menschen dazu bringt, sich so zu verhalten. Im Sonntagsevangelium sind die Beweggründe des Richters auch bedeutungslos. Es geht um die Frau, die um ihr Recht kämpft. Beharrlich und mit großer Ausdauer, mitunter sicherlich auch nervig und scheinbar angsteinflößend verfolgt sie ihr Ziel.

Möglicherweise überschreitet sie dabei auch Grenzen des Anstands, des sogenannten „guten Tons“. Trotzdem (oder gerade deswegen?) hat sie ihr Ziel erreicht. Auch heute setzen sich Menschen dafür ein, dass Recht geschieht, auch heute gibt es Menschen, die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft nicht ernst genommen oder benachteiligt werden. An entscheidender Stelle finden sich auch heute gleichgültige, manchmal ungerechte Amtsträger – und manchmal gehören wir dazu.

Daran erinnert uns Jesus. An der Beharrlichkeit und Ausdauer der Witwe, mit der sie dem Richter gegenüber auftritt, können, dürfen, ja sollen wir uns ein Beispiel nehmen. Wo wir für das Recht einstehen und dabei auf ungerechte, uninteressierte, gleichgültige Menschen treffen, die in der Lage sind, Recht zu sprechen, lädt Jesus uns ein, ihnen auf die Nerven zu gehen, unermüdlich, voller Leidenschaft, vielleicht auch mal kreativ „am Ball“ zu bleiben und um unser Recht zu kämpfen; oder uns aus Selbstgerechtigkeit und Alltagstrott herausreißen zu lassen. Es gibt viele Themen, um die es sich zu kämpfen lohnt: um Meinungsfreiheit nicht nur in totalitären Systemen, um faire Arbeitsbedingungen, um sozialen Ausgleich oder um die Gleichberechtigung der Geschlechter – auch in der Kirche.

Schreien wir also bei Tag und Nacht zu ihm und denen, die in der Lage sind, etwas zu verändern. Klagen wir die Ungerechtigkeiten an, bis die Verantwortlichen es nicht mehr hören können, bedrängen wir sie gewaltfrei, aber unaufhörlich mit unseren berechtigten Anliegen, und lassen wir uns da, wo wir selbst in der Rolle des Richters sind, aufwecken, das Richtige zu tun. Machen wir uns die ungerecht behandelte Witwe zum Vorbild, werden wir stellvertretend für die „Unbedeutenden“ zum Stachel im Kreis der gleichgültigen, bequemen, rücksichtslosen Entscheidungsträger; tun wir es im Glauben und in der Hoffnung daran, dass Er unseren Glauben an das Gute noch findet, wenn Er auf die Erde kommt.

Angelika Kunkel ist Seniorenseelsorgerin und leitet die Fachstelle Seniorenpastoral der Diözese Würzburg.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.