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Menschenwürdige Arbeit statt Ausbeutung

Betriebsseelsorger und Katholische Arbeitnehmer-Bewegung fordern grundlegende Veränderungen in Fleischindustrie und landwirtschaftlicher Produktion

Würzburg (POW) Eine über die akuten Probleme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes hinausgehende grundlegende Veränderung in der Fleischindustrie und der landwirtschaftlichen Produktion fordern Betriebsseelsorge und Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum Würzburg. Den eklatanten Anstieg von COVID-19-Infektionen unter vielen hundert osteuropäischen Arbeitsmigranten in der fleischverarbeitenden Industrie bezeichnen sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung als „gesellschaftlichen Skandal“. „COVID-19 zeigt lediglich wie unter einem Brennglas das, was vorher bereits unerhörte Normalität war“, betont Diakon Peter Hartlaub in dem Schreiben. Der Ausbruch von Corona in mehreren Schlachthöfen in Deutschland werfe ein Schlaglicht auf die Probleme der Fleischindustrie. „Sie funktioniert nach dem Prinzip: Massenproduktion von Fleisch zu Dumpingpreisen dank Dumpingbedingungen.“

Unhaltbare, teils menschenunwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen durch unseriöse Werkverträge, überteuerte, unhygienische (Sammel-)Unterkünfte und Armutslöhne, bei denen der Mindestlohn durch Tricks unterschritten wird, sind laut Hartlaub Ursache für zutiefst unmenschliche Zustände – nicht nur in der fleischverarbeitenden Industrie. Unzählige Frauen und Männer würden seit Jahren in Knebelverträgen physisch und psychisch verschlissen und regelrecht „ausgeschlachtet“. „Sie sind es nun, die mangels Gesundheits- und Rechtsschutz und aufgrund ihrer Wohn- und Arbeitsbedingungen dem Virus ausgesetzt sind, in Massen erkranken und um ihre Gesundheit und in manchen Fällen sogar um ihr Leben ringen.“

Einfallstor für Ausbeutung und Ausnutzung von Arbeitskräften sei die legale Möglichkeit der Werkvertragsvergabe an Subunternehmen. „Wirtschaftliche Haftung und soziale Verantwortung wird an ‚Dritte‘, an Dienstleister, abgegeben. Subunternehmer heuern Menschen zu Niedrig- und Armutslöhnen an, oft Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus Osteuropa, und zwingen sie in unterschiedlichste Abhängigkeiten. Sogenannte ‚Wohn-Werksverträge‘ kombinieren Lohndumping mit Wuchermieten für schäbige, winzige Unterkünfte“, erklärt Hartlaub. Diese Verträge schafften einen Teufelskreis von Abhängigkeiten und Ausbeutung und grenzten an „moderne Sklaverei“, die ethisch und menschlich inakzeptabel sei.

„Seit Jahren mahnen wir daher gemeinsam mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und Beratungsstellen des DGB-Projekts ‚Faire Mobilität‘ diese Missstände im System an. Zu Recht protestieren in diesen Tagen auch Bürger wie zum Beispiel Prälat Peter Kossen mit seinem Verein ‚Aktion Würde und Gerechtigkeit‘ in Coesfeld lautstark gegen die menschenverachtenden und ausbeuterischen Strukturen in der Fleischindustrie vor Ort“, sagt Hartlaub.

Die angekündigten Verbesserungen beim Gesundheits- und Arbeitsschutz und deren strengere Kontrolle durch personell gut ausgestattete Behörden sind in den Augen von KAB und Betriebsseelsorge ein erster, notwendiger Schritt. Hilfreich sei eine konsequente Umsetzung der Generalunternehmerhaftung im Arbeitsschutz, bei der Unternehmen in die Haftung für Rechtsverstöße ihrer Subunternehmen eintreten müssen. „Darüber hinaus kann ein Verbandsklagerecht die Durchsetzung der Rechte der Beschäftigten erleichtern. Die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats für alle Beschäftigten am Standort erleichtert die Durchsetzung und Einhaltung grundlegender Arbeitsbedingungen“, betont Hartlaub. Es sei zudem notwendig, die unterschiedlichen Kontrollbehörden in sozial- und arbeitsrechtlichen Fragen und in den Belangen von Arbeits- und Gesundheitsschutz zu einer schlagkräftigen Arbeitsinspektion weiterzuentwickeln. „Doch es braucht eine grundlegende politische Intervention“, hebt Hartlaub hervor.

Betriebsseelsorger und Katholische Arbeitnehmer-Bewegung fordern Politik und Wirtschaft auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbeutung von Arbeitsmigranten und ‑migrantinnen strukturell zu unterbinden. „Wir wollen das Aushöhlen des Arbeitsrechts beenden und Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen benennen. Klare rechtliche Zuständigkeiten und eine eindeutige Verantwortung der Erstauftraggeber sind Voraussetzung dafür, arbeits- und sozialrechtliche Verstöße ahnden und Ausbeutung auf Kosten Schwächerer unterbinden zu können.“

(2320/0589; E-Mail voraus)