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Krieg in der Ukraine

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Wie kann ein Christ auf Christen schießen?

Diskussion im Kolping-Forum mit Ostkirchenkundler Thomas Bremer zur Situation in der Ukraine

Würzburg (POW) Was in anderen Ländern passiert, erscheint oft reichlich intransparent. Man weiß einfach zu wenig. Kennt sich geschichtlich nicht gut aus. Hat wichtige Entwicklungen und Entscheidungen nicht mitbekommen. Wie zum Beispiel ist die kirchliche Situation in der Ukraine? „Äußerst kompliziert!“, sagt Thomas Bremer, Professor für Ostkirchenkunde an der Universität Münster. Beim Kolping-Forum am Mittwoch, 13. Juli, im Kolping-Center Mainfranken brachte er etwas Licht ins Dunkel, heißt es in einer Pressemitteilung von Kolping.

Innerhalb der Ukraine gebe es seit langem Spannungen, die sich von Jahr zu Jahr gesteigert haben. Davon sei auch die kirchliche Sphäre nicht unberührt geblieben. 2018 kam es laut Bremer zu einer kirchlichen Neuordnung. Aus bisher drei orthodoxen Kirchen wurden zwei. Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Kiewer Patriarchat und die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche schlossen sich zur „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ zusammen. Daneben gab es die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats.

Ein Punkt trieb Moderator Manfred Eck von Kolping-Mainfranken um. „Als Mensch und als Christ ist es für mich erschütternd, zu sehen, dass nun wieder, wie in der Vergangenheit, Christen auf Christen schießen“, erklärte er. Dass sich Christen nicht vehementer weigerten, Mitbrüder zu töten, werfe für ihn die Frage auf, welche Bindungsfähigkeit Religion letztlich habe. Auf diese Frage gebe es leider „keine gute Antwort“, sagte Bremer.

Allein die Äußerungen hochrangiger Vertreter der orthodoxen Kirchen zeigten, dass es sich bei der Befriedung des kriegerischen Konflikts in der Ukraine um eine alles andere als leicht lösbare Aufgabe handele. So habe Onufrij, Metropolit der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats, den russischen Präsidenten Putin am 24. Februar gebeten, den „brudermörderischen Krieg“ sofort zu beenden. Kyrill, Patriarch von Moskau und Vorsteher der gesamten Russisch-Orthodoxen Kirche, habe hingegen in seiner Predigt am 27. Februar auf die „dunklen und feindlichen“ Kräfte abgehoben, die Russland von außen bedrohten.

Diese Aussagen führten laut Bremer zu einer merkbaren Veränderung in der Haltung jener orthodoxen Christen in der Ukraine, die bisher treu zu Kyrill standen. „Viele Priester haben sich in der Folge geweigert, im Gottesdienst für den Patriarchen zu beten“, sagte Bremer. Einige Bischöfe hätten es auch ausdrücklich erlaubt, dieses bis dahin obligatorische Gebet wegzulassen. Von diesen orthodoxen Christen wurde Kyrill nicht mehr als ihr Oberhaupt betrachtet: „Sie fühlten sich von ihm im Stich gelassen.“

Am 6. März habe sich Kyrill in einer weiteren Predigt als Anhänger jener aktuell global wachsenden Gruppe von Menschen geoutet, die die Nase vom Westen voll haben. Er prangerte den nach seiner Auffassung für den Westen typischen „exzessiven Konsum“ an und erklärte, dass sich die Menschen im Westen in einer „falschen Freiheit“ wiegen würden. Harsche Kritik übte der Patriarch in seiner Predigt außerdem daran, dass überall im Westen „Gay-Pride-Paraden“ veranstaltet würden. In seinen Augen haben diese Paraden, wie er ausführte, den Charakter eines „Loyalitätstests“: Wer zum Westen gehören wolle, der müsse solche Paraden dulden.

Die Streitigkeiten innerhalb der orthodoxen Kirchen in Osteuropa gäben wenig Anlass zu Optimismus. Vorerst gipfelten die Konflikte darin, dass sich die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Ende Mai unabhängig von Moskau erklärte. „Damit verlor die russische Kirche ein Drittel ihrer Gemeinden, wobei es sich bei den ukrainischen Gemeinden um die aktivsten Gemeinden innerhalb der russischen Kirche handelt“, erklärte Bremer. Spannend werde vor diesem Hintergrund die elfte Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen vom 31. August bis 8. September in Karlsruhe: „Auch die russische Kirche hat eine Delegation ernannt.“ Diese werde wohl reichlich isoliert sein.

Dazu gesagt werden müsse laut Bremer allerdings, dass etwa 20 Prozent der Bischöfe, Priester und Laien der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche gegen die Ablösung von Moskau waren. Bemerkenswert sei weiter, dass Papst Franziskus den Krieg bis heute nicht klar verurteilt habe – „aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen“. Zur Erinnerung: In einem Interview in der Zeitung „Corriere della Sera“ zum Ukrainekrieg gab Franziskus der Nato eine Mitschuld am Krieg. Vielleicht, sinnierte der Papst, habe „das Bellen der Nato an Russlands Tür" Putin dazu gebracht, den Konflikt auszulösen.

Ob es nicht tatsächlich zumindest ein Quantum an Mitschuld der Nato gibt, wurde im Anschluss kontrovers diskutiert. Er sehe die Probleme, die mit einer Nato-Osterweiterung verbunden seien, sagte Bremer. Doch das Selbstbestimmungsrecht der Nationen gehe vor.

(2922/0867; E-Mail voraus)