Die beiden Becken auf der Südostseite, in einen einzigen Stein integriert, überraschen allerdings vor allem der Dopplung, die meines Wissens einmalig in der Gestaltung von Taufbecken ist. Wozu zwei Taufbecken? Eines würde doch genügen! Sie geben uns zu denken und lassen Fragen offen: Erinnern sie symbolisch an die beiden Kirchenpatrone Petrus und Paulus, die beide selbst getauft haben? Oder an Amt und Lehre als künftige Wegweisung für den Getauften? Oder an die Dualität menschlichen Lebens, die Christus zur Einheit führen möchte?
Von „zwei Becken“ spricht die Kirchenlehrerin und Mystikerin Teresa von Avila (1515-1582) in ihrem Hauptwerk „Wohnungen der Inneren Burg“ (1577). In diesem Buch beschreibt sie im symbolischen Bild der Burg die menschliche Seele, die ringförmig von sieben Wohnungen umgeben ist. In der vierten Wohnung begegnet sie zwei Brunnenbecken. „Bei dem einen kommt das Wasser von weither durch viele Röhren mittels kunstvoller Vorrichtungen, das andere ist unmittelbar dort erbaut, wo das Wasser entspringt und es füllt sich völlig lautlos.“
Das erste Becken füllt sich von Außen, „mittels (beschaulicher) Gedanken“, die allerdings „den Verstand ermüden.“ Wie wahr! Für den Glaubenden gibt es den Röhrenfluss, der von Außen kommt mit nicht verstandenem Wort Gottes, Verwaltung, mit viel Lautem und Künstlichem, mit Worthülsen ohne Gehalt und Seele.
Und es gibt die Innenerfahrung von Gottes Wohnung in uns, deren Quellwasser in jedem Augenblick fließt und die Seele lautlos füllt. Dieses Quellwasser kommt „unmittelbar“ von Gott, ist Gnadengeschenk, friedvoll, sanft, kommt aus dem tiefsten Inneren unseres eigenen Wesens und „durchströmt alle Wohnungen und Seelenkräfte, bis es in den Körper gelangt.“ Es beginnt in Gott und endet in Gott.
Das Zwillingsbecken von Obernau bildet die zeitlose Erfahrung dessen ab, wie sich gelebte Religion und lebendiger Glaube bildhaft ausdrücken können.
Peter Spielmann, pastoraler Mitarbeiter