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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Gedanken zum Evangelium - 6. Sonntag der Osterzeit

Der Fingerzeig zum Himmel

In der Stadt Gottes gibt es keinen Tempel. Das erzählt die Offenbarung des Johannes an diesem Sonntag. Sie braucht keinen, sagt der Seher. Und es klingt, als ob Gotteshäuser überflüssig sind.

Evangelium

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen. Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht. Ihr habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich. Jetzt schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.

Johannesevangelium 14,23–29

Kneipe, Kirche, Bäckerei: So sieht in vielen Dörfern noch immer der Ortskern aus. Und selbst in Städten bilden die Kirchen mit ihren Vorplätzen oft das Zentrum im Stadtviertel. Rund 42 000 Kirchengebäude besitzen katholische und evangelische Kirche in Deutschland. Viele von ihnen sind bald überflüssig, weil Gläubige und Geld fehlen. Vor allem in den letzten Jahren hat die Zahl der aufgegebenen Kirchen stark zugenommen, insgesamt ist sie aber noch überschaubar: 650 katholische Kirchen wurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Gottesdienstorte aufgegeben, 239 wurden verkauft, 177 abgerissen, schrieb 2024 die Deutsche Bischofskonferenz.

Für die betroffenen Gemeinden und den jeweiligen Ort ist die Aufgabe einer Kirche ein schmerzhafter Prozess. In der zweiten Lesung des 6. Sonntags der Osterzeit ist die Stadt ohne Tempel dagegen eine Glücksvision: In der Offenbarung des Johannes wird das himmlische Jerusalem beschrieben, „erfüllt von der Herrlichkeit Gottes“ und glänzend „wie ein kostbarer Edelstein“. Eine große Mauer hat die Stadt und zwölf Tore, um alle Völker der Erde einlassen zu können. Sie ist offen für alle. „Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt“, heißt es im Text. „Denn der Herr ist ihr Tempel, er und das Lamm.“ Weil die ganze Stadt von Gottes Gegenwart erfüllt ist, weil das Licht Jesu in ihr leuchtet, braucht sie keinen Tempel. Gott selbst ist da.

Davon sind wir in unserer Welt weit entfernt. Wir brauchen Tempel. Vor gut 11 000 Jahren haben Menschen begonnen, ihren Göttern Tempel zu bauen. Die frühen Christen mussten sich zunächst heimlich treffen, in ihren Wohnungen, also in Hauskirchen; auch Reste von unterirdischen Höhlenkirchen wurden gefunden. Doch nachdem mit dem Toleranzedikt von Mailand im Jahr 313 Kaiser Konstantin das Christentum offiziell zuließ, ging der Kirchbau richtig los. Eine der ersten: Alt-St. Peter. Die Kirche über dem Grab des Apostels Petrus in Rom wurde bereits 324 gebaut. Wie später in muslimischen Ländern Kirchen in Moscheen umgewandelt wurden, übernahmen die Christen aber auch heidnische Tempel – wie etwa das berühmte Pantheon in Rom.

Vereine sorgen für Dorfkirchen

Allzu oft sollten Kirchen weniger Gott ehren als vielmehr die Größe, die Macht und den Reichtum ihres Erbauers demonstrieren. Kaiser Justinian I. soll nach dem Bau der Hagia Sophia im heutigen Istanbul ausgerufen haben: „Salomo, ich habe dich übertroffen.“ König Salomo hatte den ersten Tempel in Jerusalem erbaut.

Heute baut niemand mehr eine Kirche, um seine wirtschaftliche und politische Macht zu demonstrieren. Gerade berühmte Kirchen gleichen oft eher einem Museum als einem Gottesdienstraum. Im Petersdom in Rom Andacht zu finden, ist gar nicht so einfach. Und dort, wo Andacht möglich ist, in unseren normalen Dorf- und Vorstadtkirchen, wird sie immer weniger gesucht.

Und dennoch: Wir brauchen Kirchen. Aus vielerlei Gründen. So prägen Kirchen Ortsbilder. Warum sonst kümmern sich zum Beispiel in Brandenburg Vereine um den Erhalt ihrer Kirche, obwohl es kaum noch christliches Leben im Ort gibt?

Kirchen sind Zufluchtsorte: In Kriegszeiten konnten sich Menschen hier vor Angreifern verschanzen. Heute kann man vor Regen und Kälte fliehen oder vor dem Lärm der geschäftigen Einkaufsstraße. Man kann sich in die leere Kirche setzen und die Stille genießen, die Gedanken schweifen lassen. Eine Kirche ist ein Ort, der eben anders ist. Viele – nicht alle – werden automatisch leiser, wenn sie eine Kirche betreten.

Kirchen sind Zeichen. Wie ein ausgestreckter Finger zeigen die Türme unserer Kirchen in den Himmel, ob in ihnen noch Gottesdienst gefeiert wird oder nicht. So erinnern sie uns daran, dass es noch eine andere Dimension unseres Lebens gibt. Wenn manche Zeitgenossen die Religion vollends ins Private zurückdrängen wollen, sind die Kirchengebäude steinerne Zeugen religiöser Überzeugungen.

Ort der Verbindung mit Gott

Kirchen bieten Chancen. Ohne Gemeinschaft, ohne gemeinsame Rituale und ohne Ort besteht die Gefahr, dass sich der Glaube still und leise, aber langsam und stetig aus dem Leben verabschiedet. Er verdunstet. So geben Kirchen die Möglichkeit, sich wieder mit dem Glauben zu befassen, dem Geheimnis Gottes nachzuspüren. Und Menschen nutzen das. In vielen Kathedralen und Innenstadtkirchen zeigen die Kerzenständer voll mit kleinen Lichtern: Menschen suchen einen Ort, an dem sie ihre Bitten formulieren können. Auch, wenn sie vielleicht nicht genau wissen, woran hier geglaubt wird.

Das gilt sogar, wenn sie nur aus touristischen Gründen eine Kirche besuchen. So trifft man in den berühmten Kathedralen der anglikanischen Kirche in England oft auf ehrenamtliche Kirchenwächter. Freundlich und voll motiviert gehen sie auf die Besucherinnen und Besucher zu, sprechen sie an und bieten sich an, Fragen zu beantworten. Manchmal entwickeln sich diese Kontakte von einer touristischen Erklärung zu einer kurzen Katechese. Diese Menschen stecken an mit ihrer Freundlichkeit und ihrem Engagement – ein kleines Glaubenszeugnis einer finanziell schwachen Kirche in einem säkularisierten Land.

Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt? Nein, vom himmlischen Jerusalem sind wir weit entfernt. Noch brauchen wir Orte, die uns mit einer anderen Wirklichkeit verbinden, die in den Himmel zeigen, uns zur Ruhe kommen lassen und anregen, mit Gott in Verbindung zu treten.

Ulrich Waschki