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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Gedanken zum Evangelium - 30. Sonntag im Jahreskreis

Hopp oder top

Das richtige Maß zu finden, ist nicht leicht. Manche überschätzen sich – wie der Pharisäer im Evangelium und vielleicht auch wie Paulus. Andere – wie der Zöllner – machen sich kleiner, als sie sind. Wie kann man einen gesunden Mittelweg finden?

Evangelium

In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis:

Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.

Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!

Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Lukasevangelium 18,9–14

Ganz schön selbstbewusst tritt der Apostel Paulus in der Lesung an diesem Sonntag auf. „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt“, heißt es da im zweiten Brief an Timotheus. Und: „Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit.“ Paulus wirkt arrogant und überheblich, die Stelle fast ein wenig befremdlich.

„Ja, Paulus redet ganz schön eingebildet daher“, sagt Ansgar Pohlmann. Er ist Regens im Erfurter Priesterseminar und betreut in diesem Wintersemester fünf Priesteramtsanwärter aus den ostdeutschen Bistümern. Zuvor war er in Gemeinden in Erfurt und Jena und als Hochschulpfarrer tätig. In dieser Zeit hat er immer wieder Menschen getroffen, die sich selbst und ihre Taten rühmen – wie Paulus oder wie der Pharisäer aus dem Gleichnis Jesu. Selbstbewusst steht er im Tempel und berichtet von seinem regelmäßigen Fasten und Almosengeben. Pohlmann kennt aber auch das krasse Gegenteil: Menschen, die, wie der Zöllner im Evangelium, sich selbst klein machen und viel zu demütig auftreten.

„Egal, ob in Pfarreien, Vereinen oder im Beruf: Solche Typen gibt es überall“, sagt Pohlmann. Auch im Priesterseminar. „Da gibt es die, die zu 200 Prozent wissen, dass sie Priester werden wollen und das überhaupt nicht hinterfragen. Und die, die ganz unsicher sind und nicht wissen, ob sie auf diesem Weg weiter vorangehen wollen.“ Wie geht er damit um? Und was ist das richtige Maß zwischen gesunder Selbstkritik und gesundem Selbstbewusstsein?

„Wir dürfen nicht vergessen: Der Zöllner und der Pharisäer in dem Gleichnis sind völlig überzeichnete Charaktere“, sagt Pohlmann. „Die beiden werden von Jesus bewusst als Schlaglichter gegenübergestellt.“ Als Vorbild tauge weder der eine noch der andere. Es sei weder richtig, sich über andere zu erheben wie der Pharisäer. Noch sei es gesund, zu zurückhaltend zu sein.

„Ich muss mich immer wieder der Herausforderung stellen“

„Wir brauchen das Gefühl, dass wir etwas erreicht haben, dass wir erleben, an bestimmten Stellen wirksam zu sein“, sagt Pohlmann. Gerade von kleinen Kindern kenne man das: Wenn ihnen etwas nicht gelingt, sind sie schnell frustriert und verlieren das Interesse.

Im Seminar versucht er, jene Priesteramtskandidaten zu ermuntern, die unsicher sind. „Übung, Übung, Übung – das ist das Wichtigste“, sagt Pohlmann. „Ich muss mich immer wieder der Herausforderung stellen.“ Dann erfahre der Kandidat etwa, dass er doch gut vor einer großen Gruppe von Leuten sprechen kann, dass er Gruppen anleiten könne, dass er gute Predigttexte schreibe – und das Selbstbewusstsein wachse.

Auf der anderen Seite muss Pohlmann jene, die von ihrem Tun absolut überzeugt sind, ein wenig bremsen. „Ich muss sie zum Nachdenken bringen“, sagt er. Am besten gelingt das, wenn die Seminaristen als Lehrer im Religionsunterricht sind. „Da merken sie sehr schnell, dass sie sich anstrengen und vorbereiten müssen. Die Antworten auf Schülerfragen schütteln sie nicht einfach so aus dem Ärmel“, sagt Pohlmann. Jene, die dachten, schon alles zu wissen, würden schnell demütig, wenn sie vor einer Schulklasse stehen, die keine vorgefertigten und ritualisierten Antworten akzeptiert.

Das Evangelium an diesem Sonntag ist für Pohlmann eine Aufgabe zur Selbstreflexion: „Wo stehe ich in diesem Gleichnis?“ Die Pharisäer seien gerade die frommen Menschen, die bemüht sind, die Gesetze zu halten und in den Tempel zu gehen. „Und doch hat ihre Gruppe im Neuen Testament immer einen negativen Klang.“ Es sei also auch eine Aufgabe für uns, aufzupassen, nicht zu Pharisäern zu werden, die überheblich auftreten und andere abwerten.

Pohlmann empfiehlt, an dieser Bibelstelle eine Schriftbetrachtung auszuprobieren, die auf Ignatius von Loyola zurückgeht. „Dabei liest man die Stelle ganz bewusst und malt sich die Situation bis ins Detail aus: Wie sieht der Raum aus? Wie ist die Atmosphäre? Sehe ich den Pharisäer vor mir, der selbstbewusst betet? Und den Zöllner, der kaum wagt, die Augen zu heben?“ Dann sei die entscheidende Frage: „Wo sehe ich mich in diesem Raum? Setze ich mich eher zum Pharisäer? Oder zum Zöllner? Und wo würde ich lieber sein?“

Und was ist mit Paulus, der über sich so selbstgerecht in seinem Brief schreibt? „Ja, er klingt sehr überheblich. Aber wir dürfen ihn nicht zu einseitig lesen“, sagt Pohlmann. Immerhin stehe in der Lesung der Verweis auf Gott, der ihm die Kraft für seinen Einsatz gegeben habe. Dem Apostel sei also bewusst, dass er nicht allein, aus sich heraus handelt, sondern dass seine Stärke auch ein Geschenk Gottes ist: „Und wenn wir mit einer solchen Haltung auftreten, wenn wir ehrlich mit uns sind, dann haben wir ein gesundes Mittelmaß erreicht.“

Kerstin Ostendorf