Der 18.10. ist der „Tag gegen Menschenhandel“. Dabei denke ich spontan an Sklaven, die auf Baumwollfeldern schuften. An Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden. An das Feilschen um die Mitgift für eine Braut. Aber das ist doch alles längst vorbei. Oder es geschieht anderswo, weit weg. Wirklich?
Mir fallen die Erntehelfer ein, die in der Saison bei uns beschäftigt sind. Oder die Frauen, die alte Menschen zu Hause versorgen. Nicht alle werden fair bezahlt und behandelt. Ich lese, dass Angestellte entlassen werden, weil sie angeblich „zu teuer“ sind. In der Diskussion um das Bürgergeld wird argumentiert, dass wir uns diese Menschen „nicht mehr leisten“ können. Was bin ich wert, wenn mein „Marktwert“ sinkt, vielleicht durch eine Krankheit oder schlicht durchs Älterwerden?
Zugegeben, die christlichen Kirchen haben zu Sklavenhandel und Ausbeutung von Menschen nicht immer deutlich genug „Nein“ gesagt. Aber von der ersten Seite der Bibel an gilt, was auch in unserem Grundgesetz an erster Stelle steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“! In der christlichen (und jüdischen) Tradition wurzelt diese Würde darin, dass jeder Mensch „im Bild Gottes“ geschaffen ist, heilig und unantastbar, unbezahlbar.
In der Bibel zeigt sich das zum Beispiel darin, dass Arme, die in Schuldknechtschaft geraten und sich selbst oder ein Familienmitglied „verkaufen“ müssen, spätestens nach sieben Jahren wieder freigelassen werden müssen. Solch ein „Jubeljahr“, in dem die Gefangenen freikommen, ruft Jesus in seiner Antrittsrede in der Synagoge von Nazareth aus: Mit Jesus, so waren auch die Jüngerinnen und Jünger überzeugt, ist eine neue Zeit angebrochen, in der es keine Knechtschaft und Sklaverei mehr gibt – Gott will uns als freie Menschen, und das gilt jetzt (Lk 4)!
Für Christ:innen gilt dieser hohe Wert des Menschenlebens unbedingt: auch für Fremde, für alte und gebrechliche Menschen, für Menschen mit Handicaps oder psychischen Krankheiten, sogar für Straftäter: Sie sind immer noch Menschen, in denen uns Gottes Ebenbild anschaut. So schwer es mir oft fällt, das zu sehen.
Aber ich möchte darauf achten, wie ich über Menschen denke und spreche. Dass ich sie nicht nur nach ihrem Marktwert oder als Kostenfaktor beurteile. Dass ich sensibel dafür werde, wo ich selbst davon profitiere, dass Menschen unfair bezahlt und ausgebeutet werden. Zuallererst ist jeder Mensch – ein Mensch.
Dr. Ursula Silber ist Leiterin der Erwachsenenbildung „Martinusforum Aschaffenburg-Schmerlenbach“