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Dokumentation

Der Sonnengesang, ein Osterlied

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung am Ostersonntag, 4. April, im Würzburger Kiliansdom

Der Sonnengesang als Vermächtnis des heiligen Franziskus

In diesem Jahr geleitete uns der heilige Franziskus durch die drei Tage von Tod und Auferstehung Jesu Christi. Anlass ist die Wiederkehr der Gründung des ersten und ältesten Franziskanerklosters hier in Würzburg vor 800 Jahren, die wir in diesem Jahr begehen dürfen. Am Gründonnerstag haben wir über die tiefe Eucharistiefrömmigkeit des heiligen Franziskus nachgedacht. Am Karfreitag erinnerten uns die Wundmale des heiligen Franziskus, die Stigmata, daran, zu Menschen zu werden, die wie Franziskus das Leid der Welt mitempfinden können.

Heute, am Ostersonntag, wollen wir unsere Betrachtungen beschließen mit einer Meditation zum Sonnengesang des heiligen Franziskus. Diese Dichtung kann als sein geistliches Vermächtnis gelten. Da es ein zutiefst österliches Lied ist, ist es gut, heute am Ostersonntag seinen Inhalt zu meditieren.

Der Sonnengesang als Christuslied

Wenn ich sage, der Sonnengesang sei ein Osterlied, muss ich mir den Einwand gefallen lassen, dass von Ostern und von Jesus Christus gar nicht die Rede ist. Das stimmt. Im Text kommt beides nicht vor. Aber trotzdem spricht der Text vom Geheimnis der Auferstehung. Um das zu verstehen, muss man die Christus-Mystik des heiligen Franziskus kennen. Der heilige Bonaventura schreibt:

Um sich aber zur Gottesliebe aufrufen zu lassen, jubelte er über alle Werke der Hände des Herrn und erhob sich von den Spiegelbildern seiner Schönheit zu deren lebenspendendem Quellgrund. In allem Schönen schaute er zugleich den Schönsten. Auf den Spuren, die er den Dingen eingeprägt fand, ging er überall dem Geliebten nach und benützte alle Dinge als Leiter, auf der er emporsteigen und den umfassen konnte, der ganz liebenswert ist. In einer liebenden Gottseligkeit, wie sie nie erhört war, verkostete er in den einzelnen geschaffenen Dingen, als seien sie viele kleine Bäche, den Quell aller Güte. Als ob er in dem Zusammenspiel der Kräfte und Handlungen, die Gott ihnen verliehen, gleichsam eine himmlische Melodie vernommen hätte, ermahnte er sie in Liebe zum Lobe des Herrn, wie es der Prophet David (in den Psalmen) getan (hat). (Bonaventura, Vita Francisci IX.2)

Franziskus hat einen ausgeprägten Sinn für das Schöne. Das ist auch ein erstes, was den österlichen Menschen kennzeichnet: Er sieht das Schöne. Das ist nicht selbstverständlich, weil wir oftmals das Schöne gar nicht mehr wahrnehmen oder es für selbstverständlich halten. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich leider häufig nur auf das, was unschön ist und was nicht funktioniert. Franziskus aber sieht das Schöne.

Aber dabei bleibt es nicht. Das Schöne wird für ihn zur Leiter. Das heißt, über die Wahrnehmung des Schönen geht sein Blick weiter zu dem Schönsten. Und der „Schönste“ ist Jesus Christus. Am Ostermorgen erstrahlt in dem auferstandenen Herrn der Mensch in neuer Herrlichkeit. Das Hässliche, die Wundmale, sie bleiben. Aber sie erstrahlen in einem neuen Licht und haben ihre todbringende Kraft verloren. Durch Gott gewinnen alle Dinge in Christus ihre ursprüngliche Schönheit und ihren früheren Glanz wieder zurück. Ja, Ostern ist das Fest der erneuerten Schöpfung.

Alle Geschöpfe werden für Franziskus dadurch zu Zeichen, zu Sakramenten, in denen er die Schönheit Jesu Christi wiedererkennt. Und diese Erkenntnis erfüllt ihn mit österlichem Jubel. Ihm war, als ob er in den Dingen eine himmlische Melodie vernommen hätte, sagt sein Biograph. Diese Melodie will er gegen alle Misstöne und Disharmonien in der Welt erneut zum Klingen bringen. Deshalb dichtet er seinen Sonnengesang. Alle Geschöpfe lädt er ein, das Lob des Schöpfers anzustimmen, der an Ostern der Welt ihren früheren Glanz zurückgeschenkt hat.

Die Osterliturgie ist ein Widerschein dieser Christusmystik in den Elementen

Die Liturgie der Osternacht nimmt diesen Gedanken auf und singt das Loblied der Elemente, die auf Christus verweisen wie im Sonnengesang des Franziskus.

•           Die Sonne erinnert an Christus, das Licht der Welt.

•           Die Nacht erinnert an die Ölbergnacht und die Nacht des Todes, die der Herr durchlebt und durch sein Leiden geheiligt hat.

•           Das Osterfeuer erinnert an die Gottesliebe, die nichts von ihrer Kraft verliert, wenn sie weitergegeben wird, sondern sich im Teilen noch vermehrt.

•           Das Wasser erinnert an das Wasser der Taufe, durch das alles Böse abgewaschen wird und der Mensch rein vor Gottes Angesicht treten kann.

•           Der Wind wird zum Gleichnis für den machtvollen Atem des Heiligen Geistes, der alles neu belebt mit seinem Hauch.

•           Die Erde erhält ihre Würde zurück, weil Gott in Jesus Christus seinen Fuß auf diese Erde gesetzt hat und in dieser Erde begraben wurde.

Alle Elemente werden zur Leiter, zum Hinweis. Sie deuten über sich hinaus auf Jesus Christus.

Deshalb auch lobt Franziskus in den Elementen nur deren positive Eigenschaften. Er überschlägt sich in lobenden Adjektiven: Gestirne, Feuer, Wasser, Luft und Erde sind für ihn kostbar, nützlich, fröhlich, keusch und einfach immer wieder schön. In ihnen sieht er mit dem Ostermorgen den neuen Himmel und die neue Erde anbrechen.

Geschwisterlichkeit als Grundwort

Weil an Ostern die ursprüngliche Harmonie wiederhergestellt wird, erlebt Franziskus auch die Elemente als Geschwister: Bruder Sonne, Schwester Mond, Bruder Wind, Schwester Wasser, Bruder Feuer, Schwester Erde. Die Geschwisterlichkeit wird zu einem Grundwort seiner Frömmigkeit. Alles erhält dadurch ein Gesicht, wird personalisiert. So gelingt es Franziskus, den entpersönlichten Zugang zur Welt zu überwinden. Wenn alles ein Gesicht hat, hat man mit allem auch ehrfürchtig umzugehen und kann es nicht einfach gebrauchen. Geschwisterlichkeit heißt aber auch, selbstlos das Gute miteinander zu teilen aus dem Wissen, dass es immer für alle reicht. Ohne Hintergedanken und ohne böse Absicht. So wie Gott seine Sonne aufgehen lässt über Gut und Böse und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45), so sollen auch die Kinder Gottes rückhaltlos geben.

Die drei Grundhaltungen: Verzeihen, Ertragen, Frieden stiften

Aus der Geschwisterlichkeit erwachsen wiederum die drei Grundhaltungen, die Franziskus besingt und damit an Ostern beschwört:

•           Einander verzeihen, weil an Ostern der Herr die Schuld der Welt getragen hat. Weil wir von Gott her Vergebung erfahren, wenn wir gegen die Geschwisterlichkeit uns verfehlt haben, so sollen auch wir einander verzeihen.

•           Ertragen von Krankheit und Not, ohne sie auszublenden und zu verdrängen. Weil Christus unsere Leiden selbst durchlitten hat, ist er uns gerade im Leid näher als sonst im Leben. Deshalb gilt die besondere Fürsorge in einer geschwisterlichen Welt den Notleidenden, die nicht alleine zu lassen sind.

•           Den Frieden bewahren. Der Friede ist die erste Gabe des Auferstandenen. Versöhnt mit den Leiden im eigenen Leben, stiftet der österliche Mensch Frieden. „Pax et bonum“ – „Frieden und jegliches Gute“ wird zum franziskanischen Gruß. Die Versöhnung mit Gott ermöglicht den Frieden auf Erden.

Bruder Tod

Der Sonnengesang ist ein österliches Lied. Nirgends kommt das besser zum Ausdruck als in der letzten Strophe. Franziskus redet den Tod als Schwester oder Bruder an. Der Tod hat alles Bedrohliche verloren. Seit der Auferstehung Jesu Christi wird er in der neuen Welt Gottes zum Tor zum Leben. Deshalb muss man keine Angst haben, sein Leben in der Nachfolge Christi einzusetzen. Denn wer sein Leben um Christi willen verliert, wird es gewinnen. Nur wer keine Angst mehr hat vor dem Tod, der kann beginnen, die Welt zu erneuern, unbeirrt gegen alle Widerstände, Drohungen und Einschüchterungsversuche. Seit Ostern ist der Tod zum Bruder geworden und damit zum Freund. Alle Verluste und alle Niederlagen und jedes Kreuz sind nicht das Ende, sondern werden zum Neubeginn. Franziskus besingt in dieser letzten Strophe die Versöhnung mit Gott noch im Sterben und ruft mit Paulus: Tod, wo ist dein Stachel?

Der Sonnengesang als kontrafaktisches Lied der Auferstehung

Naiv? Realitätsfremd? Lebensuntauglich? Könnte man meinen. Aber der Sonnengesang ist ein notwendiges Lied gegen alle, die sich abgefunden haben mit dem Elend der Welt. Wie alle echten Gotteslieder ist er ein Lied, das ansingt gegen eine Wirklichkeit, die scheinbar hoffnungslos, lieblos, hässlich und verdorben ist. Franziskus glaubt an Ostern. Er glaubt an die Macht der Auferstehung. Er glaubt an das Gute und das Schöne. Deshalb singt er das neue Lied des erlösten Menschen.

Wir brauchen solche Lieder als Ermutigung. Wir brauchen sie auch, um selbst aus der Osterhoffnung die Welt zum Positiven zu verändern. Wer mit Franziskus an den neuen Himmel und die neue Erde glaubt, der singt mit ihm und der packt mit an, dass wir das gemeinsame Haus, wie Papst Franziskus sagt, nicht einfach seinem scheinbar unabwendbaren Schicksal des Untergangs überlassen, sondern jetzt schon mithelfen, das Angesicht der Erde aus der österlichen Hoffnung heraus zu erneuern.

Nicht aus Überheblichkeit oder Allmachtphantasien heraus, sondern in Demut und Dankbarkeit. In Demut, weil Ostern das große Geschenk Gottes an uns ist, das wir mit großer Dankbarkeit Jahr für Jahr aufs Neue empfangen dürfen. Und so endet Franziskus sein Lied:

Lobt und preist meinen Herrn und dankt und dient ihm mit großer Demut.

Amen. Halleluja!

Höchster, allmächtiger, guter Herr,

dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.

Dir allein, Höchster, gebühren sie

und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen,

besonders dem Herrn Bruder Sonne,

der uns den Tag schenkt und durch den du uns leuchtest.

Und schön ist er und strahlend in großem Glanz:

von dir, Höchster, ein Sinnbild.

Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Mond und die Sterne.

Am Himmel hast du sie geformt, klar und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Wind,

für Luft und Wolken und heiteres und jegliches Wetter,

durch das du deine Geschöpfe am Leben erhältst.

Gelobt seist du, mein Herr, für Schwester Wasser.

Sehr nützlich ist sie und demütig und kostbar und keusch.

Gelobt seist du, mein Herr, für Bruder Feuer,

durch den du die Nacht erhellst.

Und schön ist er und fröhlich und kraftvoll und stark.

Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester Mutter Erde,

die uns erhält und lenkt

und vielfältige Früchte hervorbringt, mit bunten Blumen und Kräutern.

Gelobt seist du, mein Herr, für jene, die verzeihen um deiner Liebe willen

und Krankheit ertragen und Not.

Selig, die ausharren in Frieden,

denn du, Höchster, wirst sie einst krönen.

Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester, den leiblichen Tod;

kein lebender Mensch kann ihm entrinnen.

Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.

Selig, die er finden wird in deinem heiligsten Willen,

denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn

und dankt und dient ihm mit großer Demut.