Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Infos und Ideen zur Coronapandemie

Informationen, Regelungen und Angebote der Kirche in Unterfranken in der Coronakrise.

Zukunft braucht Erinnerung

„Menschenkette mit Abstand“ und Gedenkfeier am Oberen Mainkai zum Gedenken an die Deportation von Juden vor 79 Jahren – Gerchikov: Sich an die schwierigen Seiten der Geschichte erinnern, um eine Wiederholung zu verhindern

Würzburg (POW) Mit einer Gedenkfeier am Oberen Mainkai und einer „Menschenkette mit Abstand“ ist am Freitagmittag, 27. November, an die Deportation Würzburger Juden vor 79 Jahren erinnert worden. Rund 130 Schülerinnen und Schüler aus insgesamt neun Würzburger Schulen und deren Lehrkräfte nahmen an der Veranstaltung der Gemeinschaft Sant’Egidio teil. „Wir sind davon überzeugt, dass wir wachsam sein müssen. Dort, wo Menschen in Schwierigkeiten sind oder diskriminiert oder isoliert werden, müssen wir handeln“, sagte Johannes Reder von der Sant’Egidio-Jugendorganisation „Jugend für den Frieden“.

„Sie sind die junge Generation. Sie werden das zukünftige demokratische Deutschland aufbauen. Und Sie müssen sich an die schwierigen Seiten der deutschen Geschichte erinnern, um deren Wiederholung zu verhindern“, sagte Marat Gerchikov, stellvertretender Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken. Lea Shif sprach als jugendliche Vertreterin der israelitischen Kultusgemeinde. Sie sagte, dass vor 79 Jahren hunderte Menschen durch Würzburgs Straßen gelaufen seien, um diese Stadt unfreiwillig für immer zu verlassen. „Heute haben wir jungen Leute uns hier versammelt, um an die Zeit zu erinnern. Heute stehen wir hier zusammen. Ich sehe mit allen Bürgern unserer Stadt eine gemeinsame Zukunft.“

Beklemmende Stille war wahrnehmbar, als das auf kleinen Zettelchen überlieferte Zeugnis einer Jugendlichen verlesen wurde, die ihre Erlebnisse von der Deportation ins Konzentrationslager Auschwitz schilderte. „Zukunft braucht Erinnerung“, hob Sophia Reiß, Schülersprecherin der Sankt-Ursula-Schule, hervor. „Wenn wir heute von hier weggehen, haben wir alle den Schlüssel für diese Zukunft in der Hand, um Türen zu öffnen und aufeinander zuzugehen.“ Sie lud alle Teilnehmer der Gedenkfeier ein, die an sie verteilten Blumen an Orten in der Stadt niederzulegen, an denen an die Jüdinnen und Juden erinnert wird, die getötet wurden – zum Beispiel an einem Stolperstein, am Denkort vor dem Hauptbahnhof oder in der Eichhornstraße.

An der Gedenkfeier nahmen Schüler des Wirsberg-Gymnasiums, des Deutschhaus-Gymnasiums, des Siebold-Gymnasiums, der Montessori-Schule, der Sankt-Ursula-Schule, der Gustav-Walle-Mittelschule, der Pestalozzi-Mittelschule, der Goethe-Mittelschule und des Friedrich-Koenig-Gymnasiums teil.  

Hintergrund: Deportation am 27. November 1941

Am 27. November 1941 wurde die erste größere Gruppe von Juden aus Würzburg deportiert. Seit dem 1. September 1941 war die Polizeiverordnung der nationalsozialistischen Behörden in Kraft, wonach Juden in der Öffentlichkeit mit einem Judenstern gekennzeichnet sein mussten. In Würzburg wurde ein Merkblatt bezüglich der „Evakuierung“ an die Betroffenen verteilt. Darin wurde ihnen mitgeteilt, dass ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt ist und sie in einer Erklärung eine Aufstellung ihres Vermögens anzugeben hatten. Sie mussten sich mit Marschverpflegung ausrüsten, die für mindestens drei Wochen ausreichend sein sollte. Ein Transportkoffer mit maximal 50 Kilogramm Gewicht sollte zum Güterbahnhof Aumühle gebracht werden; Transportkosten von 60 Reichsmark waren zu zahlen. Die Nazibehörden zögerten nicht, Anweisungen zu geben, aus denen zu ahnen war, dass die Empfänger des „Merkblattes“ ihre Würzburger Heimat wohl nicht wiedersehen würden: Leitungen waren abzustellen, Gas- und Lichtrechnungen sollten bei den städtischen Werken bezahlt werden, die Wohnungsschlüssel mussten der Polizei übergeben werden. In der Stadthalle, die auch Schrannenhalle genannt wurde und am heutigen Kardinal-Faulhaber-Platz stand, hatten sich die 202 Männer, Frauen und Kinder einzufinden. Sie wurden genauestens durchsucht; jegliches Bargeld und Wertgegenstände wurden ihnen abgenommen. Dann wurden sie ins Sammellager Nürnberg-Langwasser und von dort nach Schirotawa bei Riga gebracht. Ihr weiteres Schicksal kann man nicht rekonstruieren. Es wird vermutet, dass sie Opfer der zwischen Februar und August 1942 in Riga durchgeführten Erschießungskommandos der Sicherheitspolizei wurden.

mh (POW)

(4920/1251; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet