Stellen sie sich dieses Bild vor: eine Erzieherin zieht wie im OP jedes Mal neue Einweghandschuhe an, bevor sie das nächste Kind eincremt. Würden sie sich da nicht auch krank fühlen? Welches Signal senden wir da an unsere Kleinsten? Alles ist gefährlich? Alle sind krank? Wie nehmen das wohl drei- oder vierjährige Kindergartenkinder auf? Am besten nur noch mit Atemschutzmaske und Schutzhandschuhen in den Kindergarten, wäre da eigentlich die logische Schlussfolgerung.
Als Pfarrer in einer Gemeinde handelt man ja sowieso bei jedem Gemeindefest am Rande der Illegalität. Da ist ein Mitarbeiter ohne Hygieneeinweisung, die Kühlkette für die Nachmittagskuchen wurde nicht hundertprozentig eingehalten, der Spuckschutz am Buffet fehlt ...
Sicherheit ist schon wichtig, keine Frage. Dass die Zahl der Verkehrstoten von fast 20 Tausend in den 70er Jahren auch Dank der Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf unter Viertausend gesunken ist, ist ein Segen.
Aber nicht nur dass die Sicherheitshinweise für Kinderspielzeug inzwischen eine Länge ähnlich eines Medikamentenbeipackzettels erreicht haben, es scheint, dass uns unser gesunder Menschenverstand langsam aber sicher abhandenkommt: Verlassen Sie den Fahrersitz nicht während der Fahrt, trocknen sie kein Haustier in der Mikrowelle, Kinder können vom Fahrrad fallen und sich dabei verletzen - der Hersteller übernimmt dafür keine Haftung.
Als Jesus einmal einen Blinden heilte, nahm er einen Brei mit Erde und strich ihn auf die Augen. Heute würde das gegen sämtliche Hygienevorschriften verstoßen.
In der Tat scheint es so, dass uns der "gesunde Menschenverstand", das "rechte Maß" immer mehr verloren geht. Vielleicht wäre das ja ein gutes Motto für die Fastenaktion im nächsten Jahr: "Sieben Wochen selber denken"?
Meint Ihr Peter Kolb,
Pfarrer für Schöllkrippen und Mömbris