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Impulse

Unterschiedlichste Autoren im Bistum Würzburg veröffentlichen regelmäßig spirituelle Texte in Tageszeitungen, im Internet oder in Druckwerken. Die Interpretationen der christlichen Botschaft bestärken im Glauben, im alltäglichen Leben und regen zum Nachdenken an. Einige dieser Texte stellen wir hier für Sie zusammen.

Wort zum Sonntag am 23. Oktober 2022

Hast du was, dann bist du was

Was geschieht aber, wenn das Leben in andere Bahnen läuft und sich Schicksalsschläge ereignen, die ihm die eigene Kraft und Leistungsstärke rauben und das Gefühl geben, eben nicht mehr der Meister des eigenen Lebens zu sein?

Evangelium

In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Lukas 18,9–14

Mein Großvater war mir viele Jahre lang ein wichtiger Lebensbegleiter. Er hatte die Wirren des Zweiten Weltkriegs in der Ferne überlebt und ist unversehrt in sein Heimatdorf in der Rhön zurückgekehrt. Dort baute er aus Kriegsruinen eine neue Existenz auf, gründete eine Familie und erweiterte das Geschäft des Vaters zu einem stattlichen Familienunternehmen. Für ihn wurde der Mythos vom deutschen Wirtschaftswunder Wirklichkeit. Fleiß und harte Arbeit waren die Maßstäbe, die Wohlstand und Ansehen garantierten.

Mit dieser Haltung war er nicht allein. „Hast du was, dann bist du was“ – diese Aussage klang schon in den Ohren der damaligen Zeitgenossen, und sie ist uns bis heute nicht fremd geworden. Sich an den Leistungen des Lebens zu messen und Erfolge zu feiern, gehört doch zum Menschsein dazu. Dafür bietet der Pharisäer aus dem Evangelium eine echte Vorlage. Im Jerusalemer Tempel zählt er vor Gott all die Erfolge auf, die er errungen hat. Er schafft es, die Vorschriften und Gesetze seiner Zeit aufs Genaueste einzuhalten, und prahlt damit im Gebet vor Gott. Wer mag ihm auch absprechen, dass es einfach zum Lebensglück beiträgt, sich selbst zu verwirklichen und auf eigene Leistungen stolz zu sein?

Doch in den Worten des Pharisäers deuten sich bereits die Gefahren an, wenn das in einen Tunnelblick mündet. Zum Einen wähnt er sich auf einer Ebene, die für die meisten unerreichbar ist. Er verliert die Bodenhaftung und grenzt sich in seiner Überheblichkeit von denen ab, die nicht zu den „Guten“ gehören, den Räubern, Betrügern, Ehebrechern – und „diesem Zöllner“. Wenn man seine Gedanken weiterspinnt, dann dürften sich nur diejenigen in Gottes Gnade sonnen, die so handeln und erfolgreich sind wie er. Wegen seiner Scheuklappen sieht er nicht, dass Gottes Gnade sich aber gerade auch an denen zeigen will, die eben nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Zum Anderen läuft der Pharisäer Gefahr, sich selbst in einer Lebenseinstellung zu verlieren, die auf Dauer kaum durchzuhalten ist. Er definiert und legitimiert seinen Wert als Mensch über die Frage, ob ihm das penible Einhalten von Regeln und Gesetzen gelingt und er dadurch sein Glück „machen“ kann. Damit hängt alles von seiner eigenen Leistungsfähigkeit ab. Was geschieht aber, wenn das Leben in andere Bahnen läuft und sich Schicksalsschläge ereignen, die ihm die eigene Kraft und Leistungsstärke rauben und das Gefühl geben, eben nicht mehr der Meister des eigenen Lebens zu sein?

Mein Großvater verbrachte seine letzten Lebensjahre aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit in einem Seniorenheim. Für ihn war es alles andere als leicht, die eigene Selbstständigkeit aufgeben zu müssen und nicht mehr seines eigenen Glückes Schmied zu sein. Dennoch bin ich überzeugt, dass sein Gottvertrauen, das ihn ein Leben lang begleitete, ihm eine wichtige Stütze war und ihn im Innersten spüren ließ, dass sein Wert und seine Würde als Mensch unabhängig von seinen Leistungen bestanden. In diesem Bewusstsein darf auch ich mir in allen Lebenslagen als Christ immer wieder sagen lassen: Hast du was, dann bist du was – du hast Gottes Liebe und bist ein Mensch, der unendlich geliebt ist.

Johannes Krebs ist Pastoralreferent und Jugendseelsorger in der Kirchlichen Jugendarbeit (kja) Main-Rhön.

Das "Wort zum Sonntag" erscheint wöchentlich im Würzburger katholischen Sonntagsblatt.