Diese Woche unternahm die evangelische Pfarrerschaft im Dekanat Aschaffenburg eine Studienreise nach Westflandern, Belgien. 100 Jahre nach dem 1. Weltkrieg sind dort noch allenthalben die Narben des schrecklichen Völkergemetzels zu sehen. Wir besichtigten Schauplätze, die in ihrer Zerstörung und Absurdität an Bilder von Aleppo, Mossul oder Kabul heute erinnern. Wir sahen aber auch beeindruckende Zeugnisse von Versöhnung, über die Gräber hinweg. Eine ganz wichtige Aufgabe übernimmt dabei der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Erinnern Sie sich noch? Im Jahr 2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Schon damals gab es viel Häme und Ablehnung gegen das Stockholmer Komitee. Mittlerweile haben Nationalismus und Rechtspopulismus in vielen Ländern Europas besorgniserregende Werte erreicht. Und selbst das Holocaust Denkmal in Berlin zu diffamieren, findet bei manchen Zustimmung. Umso wichtiger sich zu erinnern, dass erst die europäische Idee Europa einen dauerhaften Frieden gebracht hat. Das Friedensprojekt Europa ist und bleibt eine großartige Idee. Und dazu gehören offene Grenzen und offene Worte. Versöhnung und Verständigung in Wort und Tat. Einfach ist das nicht. Doch wer einmal an einer Kriegsgräberstätte gestanden und seinen Gedanken freien Lauf gelassen hat, wird schwerlich anders können als sich zu fragen: Was kann ich persönlich für den Frieden tun? Wie kann ich mich dem Hass im Netz entgegenstellen? Wo lade ich jemanden zum Gespräch ein, statt mich über ihn nur zu ärgern? Wie kann ich Liebe zur Heimat mit Internationalität verbinden?
Lasset euch versöhnen mit Gott, heißt es in der Bibel. Es ist und bleibt eine Bitte, denn befehlen kann man Versöhnung nicht. Gott lädt uns vielmehr zur Versöhnung ein. Eine Einladung zum Leben.
Rudi Rupp
Evang. Dekan am bayerischen Untermain