Dann wieder gibt es Momente, in denen alles rund läuft und ich mit mir selbst im Reinen bin, in denen ich mich stark fühle und es mit Tod und Teufel aufnehmen würde. Zwischen diesen beiden Polen schwankt mein Selbstbewusstsein hin und her - manchmal wie eine Achterbahnfahrt vom Versager zum Helden, vom Himmelsstürmer zum armen Schlucker und zurück, meist irgendwo dazwischen.
„Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?", fragt ein Mit-Mensch Gott in Psalm 8. Ebenbild Gottes – und zugleich Staub und Asche, beide Seiten unserer Existenz kennt die biblische Tradition.
An den katholischen Feiertagen der kommenden Woche denken wir an beides. Das Fest „Allerheiligen" feiert die vielen Männer und Frauen, die uns vorgelebt haben: Der Mensch ist zu großen Dingen fähig! Die bunte Schar der Heiligen zeigt, wie viel Liebe, Kreativität, Weisheit und Mut in jedem von uns stecken kann und wie groß wir voneinander und von uns selbst denken dürfen. Am Abend des gleichen Tags stehen viele Menschen auf den Friedhöfen und trauern um ihre verstorbenen Familienangehörigen und Freunde. Wir zünden Lichter an und denken daran, was sie im Leben für uns bedeutet haben. „Allerseelen" konfrontiert uns mit der Sterblichkeit der Menschen, die uns nahe waren – und damit, dass auch wir eines Tages sterben und begraben werden.
Eine jüdische Weisheit rät, jeder Mensch solle zwei Zettel in den Taschen seines Mantels tragen. In der linken Tasche einen Zettel mit der Aufschrift: „Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück" (Gen 3, 19), in der rechten Tasche aber einen anderen mit den Worten: „Um deinetwillen wurde die ganze Welt erschaffen". Beides ist wahr, und beide Aussagen brauchen einander als Korrektur und Ergänzung. Arme Würmer und Himmelsstürmer, gewöhnliche Sterbliche und Heilige, und so vieles dazwischen sind wir. Und so ist es gut.
Dr. Ursula Silber
ist Rektorin im Martinushaus Aschaffenburg
Das Kreuzwort erscheint jeden Samstag im Serviceteil der Lokalzeitung "Main Echo" und online auf der Internetseite der Region Aschaffenburg.